Streamen kann teuer werden: Disney+ für Filme, Sky für Fußball, dazu noch ein Netflix-Abo, Amazon Prime oder Apple TV für die neuesten Serien. Um etwas billiger davon zu kommen, teilen sich viele Userinnen und User einen Account mit anderen, etwa mit der WG, der besten Freundin oder dem Bruder. Doch Netflix hat dem unerlaubten Sharing jetzt den Kampf angesagt.
In den USA geben Haushalte bereits durchschnittlich 55 Dollar im Monat für Streaming-Abos aus. Vielen Leuten sind die Gebühren für mehrere Streamingdienste zu hoch, verzichten auf die verschiedenen Angebote wollen sie aber auch nicht. Der Ausweg: Man teilt sich zum Beispiel einen Netflix-Account – und die Kosten dafür – mit anderen Menschen.
Das ist sogar fast Standard bei Netflix, könnte man sagen: Laut einer Erhebung des US-Marktforschungsinstituts Magid geben 33 Prozent aller Netflix-Nutzer*innen ihre Zugangsdaten an mindestens eine Person weiter.
Netflix: 100 Millionen Haushalte streamen unerlaubt
Der Streamingdienst selbst geht davon aus, dass weltweit etwa 100 Millionen Haushalte das Angebot nutzen, ohne ein eigenes Abo dafür zu bezahlen. Dabei sind die Nutzungsbedingungen eindeutig: Sie verbieten das Kontosharing mit Leuten, die außerhalb der eigenen vier Wände leben.
"Netflix weiß, wie viele Personen sich einen Account teilen und ob sie wirklich im selben Haushalt leben. Anmeldungen, Geräte und IP-Adressen werden jahrelang gespeichert."
Deshalb geht Netflix jetzt gegen Abonnenten vor, die ihr Abo ohne Genehmigung mit anderen Personen teilen. Erste Länder, in denen das bereits geschieht, sind Chile, Costa Rica oder Peru.
Chile, Costa Rica, Peru
In Peru zum Beispiel haben die Netflix-User*innen bereits einen ersten Vorgeschmack auf die neue Null-Toleranz-Politik beim Kontenteilen bekommen, wie das Techblog RestofWorld schreibt. Kontosharing kostet in Peru jetzt fünf peruanische Sol, also rund zwei Euro Extragebühr.
"Kontosharing mit Personen außerhalb des eigenen Haushalts ist in Peru jetzt nur noch gegen eine Extragebühr von rund zwei Euro erlaubt."
Auf wen das zutrifft, weiß Netflix sehr genau, denn Anmeldungen, Geräte und IP-Adressen werden jahrelang gespeichert. Der Streaming-Gigant sieht also, wie viele Personen sich einen Account teilen und ob sie wirklich im selben Haushalt leben.
Testlauf für neue Politik bei Netflix
Bisher ist Netflix in den meisten Ländern nicht aktiv gegen die Verletzung der Nutzungsbedingungen vorgegangen. Damit ist aber jetzt offenbar Schluss.
Man könnte das Ganze als so eine Art Testlauf sehen, sagt Deutschlandfunk-Nova-Netzreporterin Martina Schulte. Das Netflix-Management schaut sich an, wie die Userinnen und User darauf reagieren – und wenn es in Peru klappt, dann kommt es wahrscheinlich auch in anderen Ländern.
Drei Szenarien
- Ein Teil der Kundschaft scheint laut RestofWorld mit einer Kündigung des Netflix-Abos zu reagieren. Sie wechseln etwa zu HBO Max, Prime Video oder Disney+. Das sind alles Anbieter, die – bisher – nicht dagegen vorgehen, wenn ein Abo über Haushaltsgrenzen hinweg verwendet wird.
- Eine zweite Kundengruppe ignoriert die Extragebühr schlicht und ergreifend – und das bislang offenbar, ohne dafür von Netflix gesperrt zu werden.
- Und eine dritte Gruppe weiß scheinbar von nichts: Diese Nutzer*innen haben von Netflix wohl noch nicht einmal eine Zahlungsaufforderung bekommen – obwohl sie ihr Konto teilen.
Klingt nach Chaos. Doch vielleicht hat genau das auch System, vermutet RestofWorld. Das Blog könnte sich vorstellen, dass Netflix derzeit ganz bewusst unterschiedliche Methoden mit verschiedenen Benutzer*innen ausprobiert. Einfach, um auf diese Weise herauszufinden, mit welcher Strategie sich das Verbot des Abosharings weltweit so umsetzen lässt, dass möglichst wenig Kunden davonlaufen.
Vom Verhalten der Peruaner, der Costa Ricanerinnen und der Chilenen hängt es also ab, wie es bei uns in Europa und Deutschland mit dem Eintreiben von Zusatzgebühren für Netflix laufen wird.
Schätzung: Extragebühren kommen 2023 weltweit
Expert*innen rechnen damit, dass die Extragebühren für das Abosharing schon nächstes Jahr weltweit erhoben werden. Weil Netflix gar nichts anderes übrig bleibe: Wegen der sinkenden Abonnentenzahlen steht der Streamingdienst unter großem finanziellen Druck:
Die Abozahlen sinken nämlich erstmals seit zehn Jahren und das soll sich Prognosen zufolge auch im nächsten Quartal fortsetzen. Mit spürbaren Folgen für Netflix: Im vergangenen November war die Aktie noch mehr als 600 Euro wert, derzeit liegt sie bei 180 Euro.
Andere Anbieter, gleiche Sorgen
Einziger Trost für Netflix ist, dass es den anderen Anbietern ähnlich geht. Auch Disney scheint das Kontoteilen als Problem erkannt zu haben. Der Dienst verschickt laut Süddeutscher Zeitung derzeit Fragebögen, um herauszufinden, warum Leute ihre Zugangsdaten weitergeben. Auch Spotify und Amazon wenden bereits ähnliche Methoden an.
Wenn es nicht klappen sollte mit den Extragebühren, bleibt den Streaminganbietern nur eine andere Möglichkeit: die gute alte Werbung, so wie im linearen TV. Hulu und HBO Max bieten bereits günstigere Abos an, die durch Anzeigen querfinanziert werden. Und auch Netflix denkt inzwischen laut darüber nach.