Billig - da steht sie ja drauf. Die Textilindustrie guckt extrem auf die Kosten. Und hat darum Äthiopien als neuen Produktionsstandort entdeckt. Unsere Reporterin hat sich vor Ort umgesehen.

Am Sonntag ist es drei Jahre her, dass in Bangladesch das Rana Plaza eingestürzt ist. Fast 1200 Menschen sind dabei gestorben. Danach ging es los mit den Diskussionen um die Arbeitsbedingungen der Textilarbeiter und um Billigproduktion. Und es hat sich ein bisschen was getan. Unter anderem wird jetzt verstärkt in anderen Ländern produziert. Ein Land, in dem sich die Textilbranche breitmacht und sehr willkommen ist - ist Äthiopien.

Der Grund: Länder wie China werden teurer, also suchen die Firmen nach neuen Standorten - auch in Afrika, erklärt die Journalistin Caroline Wahnbaeck, die zum Thema recherchiert hat. Und Äthiopien bringte eine Reihe von Vorteilen mit: Das politisch stabile Land liegt näher an Europa als die asiatischen Produktionsländer. Außerdem öffnet sich das Land mit riesigen Investitionsprogrammen, billigen Flächen und Steuererleichterungen, der Textilindustrie. Und auch die Löhne sind extrem niedrig.

Und darum setzen H&M, Primark, KiK, Tchibo oder Otto jetzt auf auch Afrika. Auch wenn die Produktionsmenge noch klein ist - nur 0,01 Prozent der globalen Kleidungsexporte stammen aus Äthiopien - gibt es zweistellige Zuwachsraten. Wie beliebt Äthiopien bei den Textilunternehmen ist, zeigt auch eine McKinsey-Studie: Danach wollen knapp ein Drittel der 40 befragten globalen Textilunternehmen in den nächsten fünf Jahren in Äthiopien produzieren.

"Die Äthiopier scheinen die niedrigen Löhne im Moment noch zu akzeptieren, weil das Land extrem arm ist."
Caroline Wahnbaeck hat in Äthiopien recherchiert

Eine Textilarbeiterin verdient in Äthiopien umgerechnet etwa 1,30 Dollar pro Tag. Damit kommt sie nicht lange über die Runden. Ein Lohn, der zum Überleben reicht, läge umgerechnet bei etwa 6,50 Dollar, hat die Organisation WageIndicator ausgerechnet. Das Problem: Es gibt keinen gesetzlichen Mindestlohn. Und die Äthiopier nehmen das hin, weil das Land extrem arm ist: Etwa 40 Prozent der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze. Dazu kommt eine rasante Verstädterung mit extrem vielen jungen arbeitslosen Äthiopiern.

Acht-Stunden-Schichten und vorgeschriebene Pausen

Das Erstaunliche: Caroline Wahnbaeck hat sich mehrere internationale und nationale Fabriken von innen angesehen, die zum Beispiel für H&M oder für Tchibo produziert haben. Überall gab es klar begrenzte Acht-Stunden-Schichten, vorgeschriebene Pausen, bezahlte Mittagessen, offene Notausgänge, moderne, belüftete, saubere Fabrikhallen und nirgendwo stinkende, offene Chemielaken. Auch Willkür und Ausbeutung konnte sie nirgends erkennen. Vieles deutet also darauf hin, dass die Standards in Äthiopien besser als in anderen Teilen der Welt sind.

Eine Erklärung: Wer in Äthiopien produzieren will, muss sehr viel Geld für vollstufige Betriebe in die Hand nehmen, weil die Textilindustrie erst im Aufbau ist. Das kostet sehr viel Geld - und da wollen es die Unternehmen lieber gleich richtig machen. Auch weil das Risiko eines Skandals bei Fabrikeinstürzen oder Ausbeutung der Angestellten heute viel zu groß ist.

Shownotes
Textilindustrie sucht neue Standorte
Äthiopien statt Bangladesch
vom 22. April 2016