Donald Trump will rund 10.000 Soldaten aus Deutschland abziehen. Einige sollen dann in Polen stationiert werden. Der US-Präsident hat den Plan inzwischen abgesegnet. Es soll schon bald losgehen. Doch mehrere - sowohl demokratische als auch republikanische - US-Senatoren wollen das verhindern. Wir schauen auf die russische Perspektive

Trumps Vorstoß, weitere Truppen aus Deutschland nach Polen zu schicken - die Rede ist von 2.000 Soldaten und Soldatinnen -, ist nicht mit der Nato abgestimmt. Es widerspricht auch der Nato-Russland-Grundakte, in der sich die Allianz verpflichtet hat, größere Kampfverbände nicht dauerhaft in den Ländern des ehemaligen Ostblocks zu stationieren.

"Allenfalls ein vergiftetes Geschenk"

Der Republikaner Mitt Romney sieht in Trumps Absichten ein Geschenk an Putin. Russland selbst sähe darin allerdings "allenfalls ein vergiftetes Geschenk", sagt unser Korrespondent in Moskau, also ein Geschenk, das man nicht unbedingt haben will. Die russische Führung werde das Thema auf jeden Fall für ihre Zwecke nutzen, sagt Thielko. Sie werde behaupten, die Nato verhalte sich aggressiv, kreise Russland ein und dagegen müsse man sich wehren.

"Die normalen Menschen auf der Straße, die ich kennengelernt habe, haben in die Nato, in US-Soldaten in Polen, überhaupt kein Vertrauen."
Thielko Grieß, DLF-Korrespondent in Moskau

Die Menschen auf der Straße würden der Nato nicht vertrauen und fänden die Verlegung eine schlechte Idee, sagt unser Korrespondent. Die Rolle des US-Präsidenten in dem ganzen Prozess könnten sie sich nicht so richtig erklären.

Trump, der Freund Putins – und viele Fragezeichen

Einerseits werde Trump in Russland als der Freund Putins dargestellt. Andererseits strebt genau dieser Mann jetzt an, Nato-Soldaten näher an Russland heranzurücken. Da entstünden sehr viele Fragezeichen. Die Sorge davor, dass Soldaten näher an Russland heranrücken, habe tief sitzende historische Wurzeln, sagt Thielko Grieß. Die russische Geschichte sei quasi voll von Einfällen und Angriffen aus Europa.

Von Napoleon bis zur Wehrmacht

Sogar Napoleons Feldzüge seien in Russland noch sehr präsent. Er stand vor den Toren Moskaus. Später dann ein ähnliches Szenario mit der deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg. Das sei ein ganz tiefsitzendes Trauma. Und da viele die Nato heutzutage wieder als Feind sehen, löse eine Verlegung von Truppen nach Polen bei vielen sehr ungute Gefühle aus.

Den Grund dafür, dass sowohl demokratische als auch republikanische US-Senatoren von einem "Geschenk für Russland" sprechen, sieht Thielko Grieß darin, dass die geplanten Truppenverschiebungen für die russische Propaganda genutzt werden können.

Die Nato ist keine Besatzungsmacht in Osteuropa

Bei der Debatte werde oft außer Acht gelassen, was die osteuropäischen Staaten selber wollen. Die Bundeswehrsoldaten etwa, die im Baltikum stationiert sind, sind dort nicht als Besatzungsmacht, sondern weil die baltischen Staaten darum gebeten haben, erklärt unser Korrespondent.

"Für Russland ist nur wichtig: Da stehen Bundeswehrsoldaten, da stehen Nato-Soldaten – das ist uns unangenehm und dagegen begehren wir auf. "
Thielko Grieß, DLF-Korrespondent in Moskau

Die baltischen Staaten hätten also eine ganz andere, gegenteilige Perspektive als Moskau: Ihre Geschichte zeigt nämlich die Besatzung durch die Sowjetunion. Die meisten Menschen dort wollten nie wieder russische Soldaten auf ihrem Territorium haben, so Thielko Grieß.

Aufrüstung schon längst im Gange

Die Aufrüstung zwischen den USA und Russland, die schon längst stattfinde, spiele sich hingegen auf anderen Ebenen ab, weniger auf der Ebene von 10.000 Soldaten, die irgendwo stationiert sind, sagt Thielko Grieß. Dabei gehe es eher um neue Typen von Waffen und Raketen, die auf beiden Seiten entwickelt werden: Hyperschallwaffen, neue U Boote und Torpedos, Waffen für den Weltraum und nicht zuletzt die "hybride Kriegführung", also etwa Hackerangriffe im Netz.

Shownotes
US-Soldaten in Deutschland
Truppenabzug der USA: "Vergiftetes Geschenk" für Russland
vom 01. Juli 2020
Moderation: 
Till Haase
Gesprächspartner: 
Thielko Grieß, DLF-Korrespondent in Moskau