Wenn sich Elon Musk ans Ergebnis einer von ihm selbst gestarteten Umfrage hält, müsste er seinen Platz als Twitter-CEO räumen. Wie es jetzt konkret weitergeht an der Unternehmensspitze, ist noch nicht klar. Eigentümer von Twitter bleibt Musk ohnehin.
57,5 Prozent der teilnehmenden 17 Millionen User*innen haben laut der von Elon Musk geposteten Abstimmung für seinen Rücktritt als Twitter-Chef gestimmt.
Sollte sich Musk an sein Rücktrittsversprechen halten, zieht er sich aber nur aus dem Tagesgeschäft als Geschäftsführer zurück. Eigentümer von Twitter bleibt er. Dass er alle Userinnen und User des Kurznachrichtendienstes nahezu täglich mit neuen Postings erfreut (oder nervt - da gibt es Interpretationsspielraum), dürfte also trotzdem nicht der Vergangenheit angehören.
Massive Kritik an Musks Unternehmensführung
Vor sieben Wochen erst übernahm Elon Musk das Unternehmen. Seitdem reißt die Kritik nicht ab. Unter Musk als CEO habe Twitter eine „total chaotische Periode“ durchlaufen, kommentiert zum Beispiel der leitende Techcrunch-Redakteur Mike Butcher bei Skynews.
Vor allem die Aktion, mehrere Accounts prominenter US-Journalisten zu sperren, ging für Musk nach hinten los: UN-Generalsekretär António Guterres reagierte "sehr verstört" und sprach von einem "willkürlichen Schritt". Die EU drohte mit Sanktionen und auch die Bundesregierung denkt darüber nach. Die Organisation Reporter ohne Grenzen hatte den Vorgang als eine "Katastrophe für das Informationsrecht" bezeichnet .
"Es könnte gut sein, dass der Twitter-Boss den Entschluss, im Tagesgeschäft kürzer zu treten, schon vor der Umfrage gefasst hat."
Es könnte gut sein, dass der Twitter-Boss den Entschluss, im Tagesgeschäft kürzerzutreten, schon vor der Umfrage gefasst hat, sagt Netzreporterin Martina Schulte. Denn Musk sei bekannt dafür, pseudodemokratische Twitter-Umfragen zu starten, um eigentlich bereits getroffene Entscheidungen nachträglich zu begründen. Ob er sich aber jetzt auch tatsächlich an das hält, was er versprochen hat, wissen wir (noch) nicht.
Tesla-Investoren freuen sich
Für die Tesla-Investoren war das Umfrageergebnis zumindest ein Grund zum Jubeln. Sie hoffen nämlich, dass sich Multitasking-Musk jetzt wieder mehr um den Elektro-Autobauer kümmert, den er zuletzt sehr vernachlässigt hatte. Seit dem Frühjahr hatte die Tesla-Aktie rund die Hälfte ihrer Bewertung von mehr als 1 Billion Dollar verloren.
"Seit wann fragt der Chef eines privatwirtschaftlichen Unternehmens seine Kunden, ob er im Amt bleiben soll?" fragt Jan-Hinrik Schmidt, Senior Researcher am Leibniz-Institut, im Handelsblatt. Umfrage hin oder her – sie ändere erst mal nichts an den vielen Problemen von Twitter, geschäftlich sehe es nicht gut aus.
Twitter macht Verluste
Das war zwar schon vor CEO Musk so, doch unter ihm haben sich die finanziellen Probleme verschlimmert: Viele Anzeigenkunden habe ihre Werbe-Etats storniert – Twitter verliert momentan vier Millionen Dollar - am Tag.
"Durch Musks seltsamen Pseudo-Free-Speech-Kurs haben viele Anzeigenkunden ihre Werbe-Etats storniert. Twitter verliert derzeit vier Millionen Dollar – pro Tag."
Auch sonst steht Twitter schlechter da als vor Musks Kauf. 13 Milliarden Dollar aus der Kaufsumme wurden Twitter als Bankschulden aufgebürdet, den Rest steuerten Investoren bei, etwa Oracle-Gründer Larry Ellison, die Qatar Holding oder der saudische Prinz al-Walid ibn Talal Al Saud.
Twitter-Bankrott möglich
Diese müssen jetzt um ihr Geld fürchten, genau wie die Banken. Und weil frische Investorengelder momentan fehlen, steht der Bankrott von Twitter durchaus im Raum.
Musk selbst hat bei Twitter verkündet, es gebe niemanden, der den CEO-Job wolle und der es auch schaffen könnte, Twitter am Leben zu halten. Ein Name, der in den Medien ins Spiel gebracht wurde, ist die frühere Meta-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg. Andere halten den Investor und Musk-Freund Jason Calacanis für einen möglichen Kandidaten. Als der Twitterdeal zustande kam, hatte er geschrieben: "Bring mich ins Spiel, Coach! Twitter-CEO ist mein Traumjob."