Glasnost und Perestroika - Transparenz und Modernisierung - fordert sowjetische Poltiker Michael Gorbatschow in einer Rede im Jahr 1986. Damit gibt er auch einen ersten Impuls für den Wunsch nach Unabhängigkeit in Weißrussland.

Der entscheidende Tag für die Geschichte Osteuropas ist der 25. Februar 1986, als der neue Generalsekretär der Kommunistische Partei der Sowjetunion, Michail Gorbatschow, seine berühmte "Glasnost" und "Perestroika"-Rede auf dem 27. Kongress seiner Partei hält.

Ohne Transparenz und Modernisierung, sagt er in Moskau, könne es in den Staaten des Ostblocks weder Demokratie noch Teilhabe der Werktätigen an der politischen Führung geben.

Die Tragweite seiner Rede wird Michail Gorbatschow kaum überblickt haben, denn sie ist der Startschuss für das Ende des sowjetischen Imperiums in Osteuropa. Überall regen sich nationale Gruppierungen, die Eigenständigkeit und Demokratie in ihren Ländern fordern.

In der Weißrussische Sozialistische Sowjetrepublik sind es 1988 Archäologen und Historiker, die Transparenz in die Vergangenheit ihres Landes bringen, indem sie in einem Waldstück bei Minsk Massengräber öffnen, in denen tausende belarussische Männer und Frauen liegen, die zwischen 1937 und 1941 Opfer des stalinistischen Terrors geworden waren.

Auseinandersetzung mit der Vergangenheit des Landes

Fortan wollen immer mehr Belarussen Autonomie und Eigenstaatlichkeit. Sie stellen Kreuze zur Erinnerung an die Mordopfer Stalins auf und demonstrieren für eine belarussische Republik. Die Gelegenheit, ihren Wunsch, aus der Weißrussischen Sozialistischen Sowjetrepublik die Republik Belarus zu machen, kommt Ende August 1991.

In Moskau putschen ultrakonservative Militärs gegen Michail Gorbatschow. Der neue starke Mann wird Boris Jelzin, der sich den Putschisten entgegenstellt. In Minsk muss wenig später der Parlamentspräsident zurücktreten.

1994 - Die erste und einzige Wahl, die Lukaschenko ehrlich gewinnt

Gleichzeitig erklärt das Parlament in Minsk am Abend des 25. August 1991 Belarus für unabhängig und ruft die Republik aus. Im Dezember 1991 gehört die Republik Belarus zu den Gründungsmitgliedern der Gemeinschaft unabhängiger Staaten.

Sofort werden die sowjetischen Atomwaffen nach Moskau zurückgegeben und politische Reformen eingeleitet. 1994 finden die ersten freien Wahlen in Belarus statt. Gewinner ist der Hardliner Alexander Lukaschenko, der bis heute das Land regiert. Es ist die erste und einzige Wahl, die er auf ehrliche Weise gewonnen hat.

Ihr hört in Eine Stunde History:

  • Der Historiker Felix Ackermann erläutert die Situation des Landes während der Zeit als Teilrepublik der Sowjetunion.
  • Die Militärhistoriker Bernhard Chiari beschäftigt sich mit den Verbrechen von Wehrmacht und SS während der Zeit der deutschen Besatzung des Landes im Zweiten Weltkrieg zwischen 1941 und 1944.
  • Astrid Sahm vom Internationalen Bildungs- und Begegnungswerk in Berlin schildert, wie sich die belarussische Gesellschaft seit der Unabhängigkeit 1991 entwickelt hat.
  • Der Moskauer Deutschlandfunk-Korrespondent Thielko Grieß erläutert die russischen Interessen in Belarus und das Verhältnis der beiden osteuropäischen Nachbarn.
  • Deutschlandfunk-Nova-Geschichtsexperte Matthias von Hellfeld blickt zurück auf die belarussische Geschichte zwischen Russland und Polen.
  • Deutschlandfunk Nova-Reporterin Veronika von Borries schildert, wie die Aufdeckung stalinistischer Verbrechen im Kurapaty – einem Wald bei Minsk – den Wunsch nach Unabhängigkeit von der UdSSR auslöste.
Shownotes
Unabhängigkeit 1991
Aus Weißrussland wird Belarus
vom 22. Januar 2021
Moderatorin: 
Meike Rosenplänter
Gesprächspartner: 
Matthias von Hellfeld, Deutschlandfunk-Nova-Geschichtsexperte