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Punktabzug bei Hausarbeiten, Referaten oder Klausuren, in denen nicht gegendert wird? An der Uni Kassel ist das jetzt möglich. Philipp Verenkotte ist Rechtsanwalt mit dem Schwerpunkt Prüfungsrecht und erklärt, unter welchen Umständen das rechtmäßig ist.

Geschlechtergerechte Sprache, also das Gendern gehört an vielen Unis inzwischen zum Alltag. So auch an der Universität Kassel, allerdings ist dort nun ein Streit entbrannt, weil es dort eine neue Empfehlung gibt, die daraufhin weißt, dass es Lehrenden überlassen wird, zum Beispiel Hausarbeiten oder andere Prüfungen schlechter zu bewerten, wenn keine gendergerechte Sprache verwendet wird.

"Im Sinne der Lehrfreiheit steht es Lehrenden grundsätzlich frei, die Verwendung geschlechtergerechter Sprache als ein Kriterium bei der Bewertung von Prüfungsleistungen heranzuziehen."

Philipp Verenkotte ist Rechtsanwalt mit dem Schwerpunkt Prüfungsrecht und sagt, dass dieses Kriterium rechtlich durchaus möglich ist und verweist darauf, dass im Rahmen einer Hausarbeit oder einer Seminararbeit gewisse formale Aspekte eingehalten werden müssen.

"Das heißt, auch wenn ich es inhaltlich super bearbeite, mich aber nicht an den Seitenrand und nicht an den Zeilenabstand halte, dann kann ich dafür Punkte abgezogen bekommen", sagt der Rechtsanwalt. Genauso könne gendergerechte Sprache – wenn sie im Vorfeld festgelegt werde – als prüfungsrelevante Formalie gelte.

"Das ist zumindest rechtlich möglich."
Philipp Verenkotte, Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Prüfungsrecht

Philipp Verenkotte würde dem Punkteabzug an zwei Stellen Grenzen setzen. Zum einen, wenn es eine Prüfung betrifft, bei der die äußeren Formalia sonst keine Rolle spielen. Zum anderen, wenn es inhaltlich keinen Bezug zum Gender-Thema gebe. "Dann dürfte es schwierig sein, da Punkte abzuziehen", sagt er.

Rechtschreibung? Keine Frage

Der Rechtsanwalt hat dazu zwei Beispiele: Orthografische Fehler, Rechtschreibung oder Kommasetzung dürfen etwa bei einer Klausur, die Sprache oder den Umgang mit Sprache zum Gegenstand hat, bewertet werden. "In einer Examensklausur von einem Juristen sind wir uns alle einig: Wenn da tausend Fehler drin sind, darf das die Bewertung verschlechtern, weil der Jurist mit Texten umgehen muss."

Anders hingegen sei das bei Prüfungen, bei denen es nur um mathematisch-naturwissenschaftliche Erkenntnisse gehe. Wenn da die Studierenden fachlich alles richtig beantworten, aber in jedem Satz drei Rechtschreibfehler machen würden, dann dürften in diesem Fall keine Punkte abgezogen werden. "Klar bis zur Grenze dessen, was die Verständlichkeit betrifft", fügt der Jurist einschränkend hinzu.

"Es ist klar, es kann keine zwei Noten Abzug geben, nur weil ich die Überschriften in einer Hausarbeit immer zwei Schriftgrößen zu klein habe. Das leuchtet irgendwo ein."
Philipp Verenkotte, Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Prüfungsrecht

Fest steht jedenfalls auch, dass der Punkteabzug verhältnismäßig sein muss, sagt Philipp Verenkotte. Es sei zum Beispiel nicht möglich, eine Klausur in der Bewertung zwei Noten herabzusetzen, nur weil die Überschriften nicht richtig formatiert seien. Und genauso sei es letztlich auch mit fehlendem Gendern. Wenn sich Studierende nicht daran halten, sei es schwer zu rechtfertigen, eine ganze Note abzuziehen.

Formalia müssen verhältnismäßig bewertet werden

Der Rechtsanwalt weist auch darauf hin, dass die Bewertung von Formalia innerhalb einer Hausarbeit oder Klausur nicht mit völlig unterschiedlichen Maßstäben bewertet werden könne: "Wenn zum Beispiel überhaupt nicht drauf geachtet wird, ob sich jemand an Schriftgröße, Zeilenabstand, Seitenrand hält oder es maximal einen halben Punkt dafür Abzug, aber für fehlende gendergerechte Sprache fünf Punkte weniger gibt, dann wird es schwierig, das zu begründen." In solchen Fällen hätten Studierende dann durchaus Möglichkeiten, dagegen vorzugehen.

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an Info@deutschlandfunknova.de

Shownotes
Prüfungsrecht
Punktabzug bei Klausuren, wenn nicht gegendert wird
vom 01. April 2021
Moderatorin: 
Sonja Meschkat
Gesprächspartner: 
Philipp Verenkotte, Rechtsanwalt mit dem Schwerpunkt Prüfungsrecht