Der Machtkampf in Venezuela hat sich zugespitzt. Bei Massenprotesten gegen den Präsidenten Maduro erklärte sich am Mittwoch der oppositionelle Parlamentspräsident Juan Guaidó zum Interimspräsidenten. Er erhielt umgehend die Unterstützung von US-Präsident Donald Trump und von einer Reihe westlicher und lateinamerikanischer Staaten.

Venezuela hat zurzeit sozusagen zwei Präsidenten. Einmal Nicolás Maduro, amtierender Präsident, dem vorgeworfen wird, dass seine Wiederwahl im Mai 2018 manipuliert war. Und auf der anderen Seite: Juan Guaidó, 35 Jahre alt. Er ist Parlamentspräsident und Oppositionsführer. Am Mittwoch (23.01.) hatte er sich selbst zum Übergangspräsidenten erklärt. Für Nicolás Maduro ist die Situation extrem brisant. Dennoch ist es zu früh, von einem Putsch zu sprechen, denn Maduro hat immer noch die Macht im Land – Polizei, Gerichte und auch die Armee stehen hinter ihm.

Am Mittwoch protestierten zehntausende Menschen, allein in der Hauptstadt. Experten schätzen aber, dass Maduro noch etwa ein Fünftel der Bevölkerung hinter sich hat. Sophie Stigler aus der Deutschlandfunk-Nova-Nachrichtenredaktion sagt: "Das ist nicht viel, aber auch nicht nichts." Und so lange die Armee hinter dem Präsidenten steht, kann er sich auch an der Macht halten.

"Experten schätzen, dass Maduro noch so ein Fünftel der Bevölkerung hinter sich hat – das ist nicht viel, aber auch nicht nichts."
Sophie Stigler, Deutschlandfunk-Nova-Nachrichten

Juan Guaidó hat sich in Reden paarmal direkt ans Militär gewandt, weil er weiß, dass er dessen Unterstützung bräuchte, um wirklich zu putschen und die Macht zu übernehmen. Und es gibt inzwischen auch Teile des Militärs, die gegen Maduro sind und auch immer wieder kleinere Aufstände provozieren. Bisher wurden sie jedoch jedes Mal niedergeschlagen. Viele Generäle sind eng verflochten mit dem System von Maduro. Sie kontrollieren das Ölgeschäft, die Lebensmitteleinfuhr und andere wichtige Einnahmequellen. Einige sollen auch tief im Drogengeschäft hängen und korrupt sein. Menschen also, die vom derzeitigen System profitieren. Vermutlich haben diejenigen wenig Interesse an einem Umsturz.

USA, Brasilien und Kolumbien sprechen Juan Guiado Unterstützung aus

Die USA würden einen Umsturz in Venezuela begrüßen. Deswegen hat Donald Trump sich auch gleich für Juan Guaidó ausgesprochen. Auch Kolumbien und Brasilien haben sich den USA angeschlossen und Guaidó als Übergangspräsidenten akzeptiert. Die Länder spüren derzeit stark die Folgen von Maduros Politik. Viele Menschen flüchten in die Nachbarstaaten, weil die Versorgungslage in Venezuela katastrophal ist.

In der deutschen Politik gehen Meinungen darüber auseinander, wie man sich zu den Ereignissen in Venezuela verhalten sollte. Einige Politiker sagen, Maduro ist ein Diktator und soll abtreten, andere sprechen von einem Putsch, den man als Demokrat verurteilen muss. Die Bundesregierung hält sich also eher zurück. Regierungssprecher Steffen Seibert hat getwittert, dass ein politischer Prozess nötig sei, der am Ende in freien Wahlen münde. Aber Neuwahlen fordert die EU schon seit Monaten, weil sie Maduros Wiederwahl im vergangenen Jahr nicht frei und fair findet.

Wahlen im Mai 2018

Im Mai 2018 hatte es in Venezuela höchst umstrittene Wahlen gegeben, aus denen der sozialistische Präsident Maduro als Sieger hervorging. Die Opposition, aber auch internationale Organisationen und andere Staaten sprachen von einem undemokratischen Wahlprozess und erkannten das Ergebnis nicht an. Am 10. Januar 2019 ließ sich Maduro dennoch für seine zweite Amtszeit vereidigen.

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  • Für Windeln und Milch nach Kolumbien  |   Carlos* arbeitet in Mérida, einer 300.000-Einwohner-Stadt im Westen Venezuelas - ein Hotspot der Proteste. In den vergangenen Wochen sind dort mehrere Menschen ums Leben gekommen und verletzt worden - sowohl Anhänger als auch Gegner des Präsidenten.

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Shownotes
Staatskrise
Venezuela: Putschversuch und Proteste gegen Präsident Maduro
vom 24. Januar 2019
Gesprächspartnerin: 
Sophie Stiegler, Deutschlandfunk Nova
Moderator: 
Thilo Jahn