In Deutschland sind über 48 Millionen Pkw zugelassen. Der Verkehrssektor trägt enorm zur CO2-Belastung und Klimakrise bei. Aber wir halten am Auto fest. Manche können nicht anders, um mobil zu sein. Aber es geht auch um Status, Gewohnheit, um Städtebau sowie Steuervorteile.

Städte in Deutschland wurden in den vergangenen Jahrzehnten häufig rund um das Auto entwickelt, so Jens Schade, Verkehrspsychologe an der TU Dresden.

"Wenn Sie insbesondere an Westdeutschland denken, nach dem zweiten Weltkrieg, da sind ja autogerechte Städte aufgebaut worden."
Jens Schade, Verkehrspsychologe an der TU Dresden

Fast der gesamte Einzelhandel sei auf Mobilität durch Autos angelegt. Dazu zählen zum Beispiel die Einkaufszentren außerhalb der Städte, die am besten per Auto erreichbar sind.

"Da ist ein riesiges Konglomerat an Angeboten entstanden, das man fast ausschließlich nur gut mit dem Auto benutzen kann. Das ist ein Umbau, der wird uns noch Jahrzehnte kosten."
Jens Schade, Verkehrspsychologe an der TU Dresden

Auf dem Land wiederum ist das Problem, dass viele Menschen nur schlecht an den öffentlichen Nahverkehr angebunden sind. "Da ist der nächste Supermarkt vielleicht nicht im Dorf, sondern in der nächsten Kleinstadt. Und die Busse fahren nicht regelmäßig", sagt unsere Reporterin Ilka Knigge. "Aber Termine haben die Menschen ja trotzdem." Der Verzicht auf das Auto – auch durch den Job – sei oft nicht möglich.

Falsche Steueranreize, falsche Stadtentwicklung

Neben einer autogeprägten Infrastruktur und/oder fehlenden Alternativen zum Auto gibt es in Deutschland aber auch Steuern, die eine Verkehrswende erschweren.

Zum Beispiel gibt es starke Steuervorteile für Dienstfahrzeuge, so Ilka. Auch bekannt als Dienstwagenprivileg. Dabei verzichten Mitarbeitende auf einen Teil ihres Gehalts und bekommen stattdessen vom Arbeitgeber einen Dienstwagen zur Verfügung gestellt, der meist mehr wert ist. Das Auto dürfen sie aber auch privat nutzen.

"Weit über die Hälfte der neu zugelassenen Autos sind Dienstfahrzeuge, Mietautos oder Vorführfahrzeuge. Das sind oft große, luxuriöse Fahrzeuge. Also Statussymbole."
Ilka Knigge, Deutschlandfunk-Nova-Reporterin

63 Prozent der neu zugelassenen Autos sind Dienstfahrzeuge, Mietautos oder Vorführfahrzeuge. Laut der Nichtregierungsorganisation "Transport and Environment" sind diese Wagen für 76 Prozent der CO2-Emissionen von Neuwagen verantwortlich. "Und es gibt so gut wie keine Anreize für die Firmen, auf Elektrofahrzeuge umzusteigen", sagt Ilka

Am Dienstwagenprivileg gibt es schon lange Kritik. Die neue Regierung hat die Steuerbegünstigung aber nicht abgeschafft.

Die richtigen Anreize für den ÖPNV

Wichtig ist es aber auch, Anreize zu schaffen, um vom Auto umzusteigen, so die Verkehrspsychologin Meike Jipp in einem Interview mit der Zeit (das Interview hinter der Paywall gibt es hier). Zum Beispiel seien die echten Kosten für ein Auto den Menschen weniger präsent als beim ÖPNV. Denn ohne Monatsticket zahlt man jede Fahrt. "Meike Jipp schlägt daher ein Bezahlsystem per App vor, das am Ende des Jahres abgerechnet wird", so Ilka.

Auch brauche der ÖPNV ein besseres Image. Die Verkehrspsychologin fordert deshalb eine erste Klasse auch in Bussen und Bahnen. Die sollten ebenso zum Statussymbol werden. Deshalb lehnt sie auch die kostenlose ÖPNV-Nutzung ab, das poliere das Image nicht auf.

Shownotes
Verkehrswende und Klimakrise
Warum wir trotzdem am Auto festhalten
vom 10. März 2022
Moderator: 
Till Haase
Gesprächspartnerin: 
Ilka Knigge, Deutschlandfunk Nova