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Maximilian Mörseburg (CDU) gewinnt seinen Wahlkreis – und darf trotzdem nicht in den Bundestag. Grund ist das neue Wahlrecht. Einige Regionen bleiben ohne direkte Vertretung in Berlin. Bundestagspräsidentin Klöckner fordert nun eine Reform.

Maximilian Mörseburg hat als Direktkandidat für die CDU den Wahlkreis Stuttgart II mit über 30 Prozent gewonnen – deutlich vor allen anderen Parteien. Trotzdem ist er wegen des neuen Wahlrechts nicht in den Bundestag eingezogen.

Kritik am aktuellen Wahlrecht: "Unhaltbarer Zustand"

Den Moment hat er als sehr bitter empfunden, sagt der Politiker. Zwar sei absehbar gewesen, dass es mit dem neuen Wahlrecht schwer werde, erneut in den Bundestag einzuziehen, dennoch habe es eine Restchance gegeben, auf die man bis zuletzt gehofft habe. Schon die erste Hochrechnung hat wenig Hoffnung gelassen, sagt er. Trotz der Enttäuschung habe er sich über sein starkes Ergebnis gefreut: mehr als neun Prozent Vorsprung im Wahlkreis.

"Der eigentlich unhaltbare Zustand dieses Wahlrechts ist, dass es Menschen gibt, die keinen direkten Vertreter im Parlament haben."
Maximilian Mörseburg, CDU

Maximilian Mörseburg zeigt sich sehr erfreut über den Vorstoß von Julia Klöckner, das Thema Wahlrecht erneut anzugehen. Er betont, dass es ihm nicht nur um eigenes Interesse gehe, sondern auch um seine Perspektive als Wähler und Stuttgarter. Das neue Wahlrecht habe zur Folge, dass es in seinem Wahlkreis nun keinen Abgeordneten mehr gebe. Das sei ein unhaltbarer Zustand des Wahlrechts und höchst problematisch.

Warum Wahlkreise leer ausgehen können

Dass jemand eine Wahl gewinnt und trotzdem nicht ins Parlament darf, liegt beim neuen Wahlrecht an der sogenannten Zweitstimmendeckung. Die Zweitstimme entscheidet darüber, wie viele Sitze eine Partei insgesamt im Bundestag erhält. Wird eine Partei über die Erststimmen häufiger direkt gewählt, als ihr laut Zweitstimmen zustehen, verlieren einige Direktkandidat*innen dennoch ihren Platz.

Manche Wahlkreise bleiben dadurch ohne Abgeordneten – etwa, wenn Wählende ihre Erst- und Zweitstimme unterschiedlichen Parteien geben. Genau das ist bei der letzten Wahl in 23 Wahlkreisen passiert, vor allem bei Kandidat*innen der CDU, aber auch bei CSU, AfD und SPD. Dadurch sind diese Wahlkreise von keinem oder nicht von der oder den Direktkandidat*innen im Bundestag vertreten, die eigentlich gewonnen haben.

Maximilian Mörseburg sieht darin ein Problem, da der Bundestag auch regional vertreten sein sollte. Fehlten Abgeordnete vor Ort, schade das dem Vertrauen. Politik genieße ohnehin weniger Vertrauen als lokale Vertreter, die man persönlich kennt – gerade sie stärkten oft die Bindung zur Demokratie.

Warnung vor steigender Politikverdrossenheit

Viele Wählende würden bei Wahlrechtsreform vor allem an die Größe des Bundestags denken, denn genau das sei öffentlich diskutiert worden. Die konkreten Folgen, etwa dass Wahlkreise keine Abgeordneten haben oder nur von nicht direkt Gewählten vertreten werden, seien kaum thematisiert worden.

Bei Manchen sei gar nicht angekommen, dass man den Wahlkreis gewinnen kann und trotzdem kein Abgeordneter wird, so Maximilian Mörseburg. Sie verstehen das nicht oder sind verärgert, sagt er. Zwar kenne nicht jeder seinen lokalen Abgeordneten, aber das sei kein gutes Zeichen. Die Entwicklung, Wahlkreisabgeordnete weiter zu schwächen, halte er für falsch – sie verschärfe das Problem eher.

"Bei manchen ist gar nicht angekommen ist, dass jemand den Wahlkreis gewinnen, aber kein Abgeordneter mehr sein kann."
Maximilian Mörseburg, CDU

Das schade auf Dauer dem Vertrauen in die Demokratie und könne jede Partei treffen, warnt der Politiker.

Maximilian Mörseburg meint, beim Wahlrecht seien Kompromisse nötig. Aber das Ziel, alle Wahlkreise im Bundestag zu repräsentieren, sei erreichbar. Es gebe viele mathematische Stellschrauben – etwa bei der Größe der Wahlkreise oder beim Ausgleich von Direktmandaten. Schade sei nur, dass die Bundestagspräsidentin keinen konkreten Vorschlag gemacht habe. Trotzdem sei es wichtig, dass das Thema wieder auf den Tisch komme – ein Dienst an der Demokratie.

Pingpong aus Reform und Gegenreform

Thorsten Faas, Politikwissenschaftler an der FU Berlin, überrascht es nicht, dass wieder über das Wahlrecht diskutiert wird – es stehe schließlich im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD. Dass Julia Klöckner alle Parteien zum Handeln aufgerufen hat, sei konsequent. Sie habe als Bundestagspräsidentin gesprochen, nicht als CDU-Politikerin. Damit habe sie alle Fraktionen in die Pflicht genommen.

Ganz neutral sei das aber dennoch nicht gewesen, meint Thorsten Faas. Im Koalitionsvertrag gebe es bereits Hinweise, wohin die Reform gehen soll – etwa dass alle Wahlkreise vertreten sein sollen. Das hätten zuletzt nicht alle Parteien mitgetragen, besonders Grüne und Linke nicht. Genau darin liege die Herausforderung: in einer parteiübergreifenden Lösung. Stattdessen gebe es oft nur Reformen gegen den Willen einzelner – das führe zu einem ständigen Pingpong aus Reform und Gegenreform.

Partei wichtiger als Einzelperson

Bei der Bundestagswahl gibt es zwei Stimmen: Die Zweitstimme bestimmt, wie viele Sitze eine Partei erhält. Mit der Erststimme wählt man eine Direktkandidatin.

"Eigentlich ist im deutschen System, anders als in Großbritannien oder den USA, die Parteilogik schon für viele Menschen ehrlicherweise die wichtigere."
Thorsten Faas, Politikwissenschaftler an der FU Berlin

Die Bedeutung der Direktkandidierenden sollte nicht überschätzen werden. Viele Wählerinnen kennen ihre lokalen Kandidat*innen gar nicht, sagt der Politikwissenschaftler, gerade in Großstädten wie Stuttgart. Zudem gewinnen Direktkandidierende oft nur mit einem knappen Ergebnis, meint er, der Großteil wähle jemand anderen. In Deutschland spiele die Parteiwahl für viele eine größere Rolle als die Wahl einzelner Personen.

Verständnisproblem Wahlrecht

Dass sich Maximilian Mörseburg um zunehmende Politikverdrossenheit sorgt, dafür hat der Politikwissenschaftler Verständnis. Ebenso für die Irritation in den 23 Wahlkreisen ohne direkt gewählte Abgeordnete. Doch bei der Reform wurden andere Ziele priorisiert, erklärt Thorsten Faas. Man müsse das differenziert betrachten, nicht in Schwarz-Weiß-Kategorien.

Laut ihm spielt die Verständlichkeit des Wahlsystems kaum eine Rolle, obwohl viele es nicht verstünden. Ständige Reformen erschweren das zusätzlich, kritisiert er, dabei sollte man die Spielregeln in einer Demokratie eigentlich kennen.

Wahlrechtsreform - "Die Quadratur des Kreises"

Eine Wahlreform, die ein kleineres Parlament ermöglicht und dennoch jeden Wahlkreis in Berlin vertreten lässt, sei laut Fass eine "Quadratur des Kreises". Die vielen bisherigen Reformversuche zeigten, wie komplex das Problem sei.

Eine mögliche Lösung wäre, Wahlkreise zu reduzieren. Das sei aber gerade in großen Flächenländern wie Mecklenburg-Vorpommern problematisch, da die Wahlkreise dort bereits heute riesig seien. Größere Bezirke könnten die Präsenz und Repräsentation durch einzelne Abgeordnete weiter erschweren. Trotzdem sei es eine von mehreren Stellschrauben.

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an unboxingnews@deutschlandradio.de

Shownotes
Wahlrecht
Wahl gewonnen und trotzdem nicht im Bundestag
vom 06. August 2025
Moderator: 
Marcel Bohn
Gesprächspartner: 
Maximilian Mörseburg (CDU,
Gesprächspartner: 
Thorsten Faas, Politikwissenschaftler an der FU Berlin