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Ein halbes Jahr nach dem Sturz des Assad-Regimes sind fast zwei Millionen Menschen nach Syrien zurückgekehrt. Das geht aus dem Weltflüchtlingsbericht 2025 hervor. Doch nicht für alle ist das eine sichere Option. Kurdin Aljeen Hasan will vorerst nicht dauerhaft zurück.

Als die Terrormiliz IS die syrisch-kurdische Stadt Kobanê angreift, muss alles ganz schnell gehen. Aljeen Hasan sitzt mit ihrer Familie gerade am Essenstisch, da entscheidet der Vater: Wir müssen sofort die Stadt verlassen. Die Familie flieht zuerst in die Türkei, später nach Österreich, wo Aljeens Bruder lebt.

14 Jahre ist die Flucht der Familie nun her. Inzwischen ist Aljeen 25, lebt im österreichischen Salzburg und arbeitet als Journalistin und Autorin. Hier hat sie sich ein Leben aufgebaut. Eine Rückkehr nach Syrien schließt sie momentan aber nicht nur deswegen aus.

Assads Sturz bedeutet nicht automatisch ein sicheres Syrien

Aljeen ist Kurdin, damit gehört sie in Syrien einer Minderheit an. Sie sagt: "Als Kurdin könnte ich meine Stadt Kobanê nicht einfach so verlassen und mich sorgenfrei im Land bewegen." Außerdem falle sie im Vergleich zu anderen Frauen auf, weil sie kein Kopftuch trägt.

"Wenn man wie ich kein Kopftuch trägt, muss man schauen, inwieweit man sich frei in Syrien bewegen kann."
Aljeen Hasan, syrische Geflüchtete

Kristin Helberg ist Journalistin und Politikwissenschaftlerin. Vor dem Krieg hatte sie sieben Jahre in Syrien gelebt. Nun war sie im April 2025 vor Ort. Sie bestätigt, dass viele Kurd*innen seit dem Machtwechsel große Angst haben. Das habe mit der Autonomie zu tun, die sich Kurd*innen während des Assad-Regimes im Nordosten Syriens aufgebaut haben. Dort haben auch Frauen mehr Rechte und Freiheiten, berichtet die Journalistin. Die Sorge sei nun, dass die neue islamistische Führung diese Autonomie nicht mehr lange gewähren wird.

Viele kehren nach Syrien zurück, viele aber auch nicht

Gleichzeitig entscheiden sich viele Menschen wieder nach Syrien und in ihre Heimatorte zurückzukehren. Laut dem Weltflüchtlingsbericht 2025, den das UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR veröffentlicht hat, sind es seit dem Sturz des Assad-Regimes Ende 2024 fast zwei Millionen Menschen.

Bei den Rückkehrenden handelt es sich größtenteils um Binnenvertriebe, erläutert Kristin Helberg. "Im Norden, an der Grenze zur Türkei, sind die wirklich großen Flüchtlingslager gewesen. Von dort machen sich ganz viele Leute auf den Weg zurück."

Dabei erwartet sie zu Hause meistens nicht viel, sagt die Journalistin. Wenn das Haus noch steht und es ein Dach hat, sei das schon ein großer Grund zur Freude. "Dennoch sagen viele, es ist besser auf dem eigenen Grund. Da haben sie vielleicht noch Oliven- oder Feigenbäume, die sie jetzt bestellen können", so die Journalistin.

"Die Leute ziehen aus dem Flüchtlingslager, wo sie im Zelt gelebt haben, nach Hause, um wieder im Zelt zu leben. Denn die Häuser in ihrer Heimatregion sind meistens zerstört."
Kristin Helberg, Journalistin

Zudem müsse man sich die Rückkehr erst einmal leisten. Kristin Helberg berichtet von einer Witwe in einem der größten Lager in Atmeh, die zurückgehen will, aber einfach nicht das Geld dafür hat. Also muss sie bleiben.

"Die Leute, die zurückbleiben – das sind häufig alleinstehende Frauen – haben nicht die finanziellen Möglichkeiten, um zurückzukehren. Sie werden die Vergessenen von morgen sein."
Kristin Helberg, Journalistin

Menschen hingegen, so die Einschätzung der Journalistin, die sich in Nachbarländern oder Europa ein einigermaßen stabiles Leben aufgebaut haben, werden die Lage in Syrien genau beobachten, bevor sie zurückkehren. Denn noch gebe es keine Grundlage, um sich dort wieder ein neues und sicheres Leben aufzubauen.

Perspektiven für Syrien als globale Aufgabe sehen

In Syrien gibt es weiterhin Anspannungen, auch mit der Türkei, sagt Kristin Helberg. "Grundsätzlich ist es aber natürlich eine sehr gute Nachricht, dass der Krieg in Syrien vorbei ist und damit der Hauptgrund für die Flucht von insgesamt 13 Millionen Menschen aufgelöst wurde." Doch damit sei es bei weitem nicht getan, betont die Journalistin. Auch Syrer*innen, die in Deutschland leben, pauschal zurückzuschicken, ist aus ihrer Sicht keine Lösung.

Vielmehr brauche es von der Politik weltweit und damit auch von der deutschen Bundesregierung Unterstützung beim Wiederaufbau. "Mittelfristig entstehen dabei gute deutsch-syrische Beziehungen, das ist eine Perspektive, auf die es sich lohnen könnte hinzuarbeiten."

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an Info@deutschlandfunknova.de

Shownotes
Weltflüchtlingsbericht
Wie es Rückkehrern in Syrien geht
vom 12. Juni 2025
Moderation: 
Ilka Knigge
Gesprächspartnerin: 
Kristin Helberg, Journalistin und Politikwissenschaftlerin
Gesprächspartnerin: 
Aljeen Hasan, syrische Geflüchtete