Individuen, aber auch ganze Gesellschaften müssen immer wieder auf Krisen reagieren. Krisen lassen sich nicht vermeiden, sagt Ökonom Markus Brunnermeier. Daher müssen wir lernen, mit ihnen zu leben – sie gewissermaßen "abzufedern".
Dass sich die Krisen zurzeit häufen, ist nicht unbedingt nur ein Gefühl. Ein Schock kommt selten allein, sagt der Ökonom Markus Brunnermeier: "Wenn ein Schock kommt, kommt häufig ein zweiter oder dritter zur gleichen Zeit."
"Risiko einfach zu vermeiden, ist fast nicht möglich. Es geht auch nicht, sich eine gewisse Resistenz anzueignen. Die Resilienz ist vielleicht eine Möglichkeit."
Das stellt uns als Menschen und als Gesellschaft vor eine große Herausforderung: Wie können wir mit dieser Häufung von Bedrohungen umgehen? Vermeiden lassen sich Krisen nicht, sagt Brunnermeier. Oft bringe es auch wenig zu versuchen, sich ihnen entgegenzustellen.
Resilienz ist vergleichbar mit einem Zurückfedern
Es sei wie in der Fabel "Die Eiche und das Schilfrohr" von Aesop: Die Eiche ist stark und kräftig. Der Wind kann ihr nichts anhaben. Doch wenn der Sturm zu stark wird, dann bricht sie. Das Schilfrohr hingegen kann sich dem Wind und dem Sturm nicht entgegenstellen. Es beugt sich. Doch sobald der Sturm vorbei ist, richtet es sich wieder auf. Dieses Zurückfedern mache Resilienz aus, sagt Brunnermeier.
"Es geht immer ums Zurückfedern: Ich nehme den Schock, ich lass den Schock kommen, aber ich habe die Möglichkeit, danach wieder zurückzufedern."
Nicht nur Individuen, auch Systeme und Gesellschaften könnten besser durch Krisen kommen, wenn sie lernen, nach Schockeinwirkungen zurückzufedern. Was das im Einzelfall heiße, sei nicht immer leicht herauszufinden. "Es gibt Resilienz auf der individuellen Ebene, auf der Systemebene und auf der gesellschaftlichen Ebene", sagt Markus Brunnermeier.
Kleine Krisen sollten wir zum Beispiel manchmal zulassen, sagt Brunnermeier. Denn wenn wir schon zu deren Vermeidung all unsere Ressourcen verbrauchen, dann stehen wir mit leeren Händen da, wenn eine noch größere Krise kommt.
Resilienz: Krisen unterscheiden
Andererseits gebe es aber Situationen, in denen wir wirklich keine Risiken eingehen könnten – das gelte für so genannte "Kipppunkte", zum Beispiel beim Klima: Wenn der Golfstrom einmal stoppt, kann man ihn nicht wieder anschalten.
"Wenn ich Diversität habe, wenn Leute sehr unterschiedlich sind, dann ist eine Gesellschaft resilienter, als wenn alle sehr ähnlich sind."
Grundsätzlich lasse sich sagen, dass eine Gesellschaft Diversität braucht, um resilient zu sein. Denn um zurückfedern zu können, brauchen wir ganz unterschiedliche Ansätze, Denkformen und Menschen, so Markus Brunnermeier.
Markus Brunnermeier ist Wirtschaftswissenschaftler und Professor an der Princeton University. In seiner Forschung beschäftigt er sich mit internationalen Finanzmärkten. Er war Mitglied des Internationalen Währungsfonds und als Berater tätig, zum Beispiel für das US Congressional Budget Office oder die Deutsche Bundesbank. Sein jüngstes Buch hat den Titel "Die resiliente Gesellschaft".
Seine Vorlesung "Resilienz, spontane Ordnung und der Gesellschaftsvertrag" hat Markus Brunnermeier am 18. Juli 2022 an der Universität Freiburg gehalten. Es war die 26. Friedrich A. von Hayek-Vorlesung, die das Walter Eucken Institut für Ordnungsökonomie jedes Jahr ausrichtet.