Es ist wohl nicht übertrieben zu sagen, dass eine Kündigung wegen Eigenbedarfs eine Horrorvorstellung für Mieter*innen ist. Raus aus dem eigenen Zuhause, Geld für einen Umzug aufbringen und überhaupt erst mal auf dem überspannten Wohnungsmarkt eine bezahlbare Wohnung zu finden - Albtraum.
Doch nicht wenige Mieter*innen machen diese Erfahrung. Laut Deutschem Mieterbund sind es schätzungsweise 80.000 Fälle pro Jahr. Erich ist einer von ihnen gewesen. Nach sage und schreibe 30 Jahren kündigte ihm sein Vermieter die Wohnung. Der Grund: Eigenbedarf.
Eigenbedarf häufigster Grund für Kündigung
Laut Gesetz gilt: Wer eine vermietete Wohnung kauft und dort selbst einziehen will, für die Tochter, den Bruder oder die Eltern eine Unterkunft braucht oder auch nur Personal dort wohnen lassen möchte, kann dafür Eigenbedarf anmelden.
"Da kommt ein Schreiben, das einem den Boden unter den Füßen wegreißt. Hier steht etwas zur Disposition, was mein Zuhause wegnimmt. Und damit komme ich nicht klar."
Das bedeutet allerdings nicht, dass Mieter*innen in jedem Fall aus der Wohnung rausmüssen. Wer zum Beispiel nachweisen kann, dass er oder sie eine Krankheit hat, die einem Umzug entgegensteht, wer beruflich oder durch eine Abschlussarbeit im Studium zu stark beansprucht wird, oder wer bereits so lange in seinem Viertel lebt, dass er oder sie dort bereits tief verwurzelt ist, kann sich wehren.
So war es bei Erich, er beschloss, juristisch gegen die Kündigung vorzugehen. Und auch Vii nimmt die Eigenbedarfskündigung nicht hin. Vii wohnt alleine in Berlin, hat keine Familie in der Nähe. Daher, so ihr Argument, wäre sie im Not- oder Krankheitsfall auf die Menschen in der Nachbarschaft und ihrer Umgebung angewiesen.
"Es wäre für mich etwas anderes, wenn ich sehen würde, das ist eine Familie, die Geld zusammengespart hat, um sich eine Eigentumswohnung zu kaufen. Aber so ist es nicht."
Wohnungsnot verschärft Problem
Kommt es wie bei Vii und Erich zu einer Verhandlung vor Gericht, wird abgewogen: Wessen Rechte wiegen stärker: die der Eigentümer*innen, die ja unter Umständen ihr gesamtes Erspartes plus einen enormen Kredit in die neue Immobilie investiert haben, oder die der Mieter*innen, die keine Chance haben, für einen angemessenen Preis eine vergleichbare Wohnung in der Nähe zu finden?
Klar ist: Die aktuelle Wohnungsnot verschärft das Problem um den Eigenbedarf wesentlich. Die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt hat noch etwas zur Folge: Eigenbedarf ist der häufigster Grund für eine Wohnungskündigung seitens der Vermietenden. In einem solchen Fall können ehemalige Mieter*innen Schadenersatz verlangen – zum Beispiel für den Umzug oder für eine dann höhere Miete.
Oft kein wirklicher Eigenbedarf?
Hinter vielen Kündigungen steckt kein echter Eigenbedarf. Die Wohnungen sollen einfach nur teurer neu vermietet werden. Diesen Verdacht äußern zumindest Erich und Viii. Daher sehen sie die Fälle von vermeintlichem Eigenbedarf nicht als Problem und persönliches Pech eines Einzelnen an, sondern als gesellschaftliches Problem.
"Allein die Wohnungsnot und die gestiegenen Mieten zeigen, wer seine Wohnung verliert, der findet keine neue Wohnung im selben Kiez und auch nicht im Nachbarkiez."
Erichs Fall ist inzwischen übrigens entschieden. Ganze drei Jahre haben sich die Gerichtsverhandlungen hingezogen, dann aber war klar: Erich kann in seiner Wohnung bleiben. Bei Viii steht das Urteil noch aus. Sie wünscht sich nichts sehnlicher, als dass auch ihre Klage Erfolg hat.