Immer mehr Menschen suchen Zuflucht in Deutschland. Die Erstaufnahmelager sind voll. Geflüchtete beschweren sich immer häufiger über die Zustände. Doch für die Beschwerden gibt es nur eine einzige Anlaufstelle in Deutschland – und zwar in Berlin.
Täglich kommen Menschen nach Deutschland, die aus ihrer Heimat geflohen sind. Die Zahlen steigen aktuell wieder und die Erstaufnahmelager stoßen an ihre Kapazitätsgrenze. Allein in Berlin-Tegel leben 4.000 Menschen – und es sollen noch mehr werden. Die Lebensbedingungen dort sind schwierig.
Geflüchtete haben die Möglichkeit, sich über Missstände zu beschweren, zumindest in Berlin. Im Stadtteil Neukölln gibt es nämlich die einzige Anlaufstelle dieser Art für Geflüchtete in Deutschland – die Berliner unabhängige Beschwerdestelle (BuBS). Dort kann jede und jeder, die oder der in Berlin einen Flüchtlingsstatus hat, hinkommen und sich beschweren.
"Als ich in der Beschwerdestelle war, habe ich zum Beispiel von Menschen gehört, die seit Monaten die Tür der Damentoilette in ihrer Unterkunft nicht abschließen können. Oder dass die Gemeinschaftsbäder so verdreckt sind, dass sie sie kaum benutzen können. Mir ins Mikrofon erzählen wollte das allerdings leider keiner."
Unsere Reporterin Luise Sammann war dort. Die Menschen haben ihr von vielen Problemen berichtet – ins Mikrofon sprechen wollten sie sie allerdings nicht.
Der Grund: Viele haben Angst, dass sich ihre Beschwerde negativ auf ihr Asylverfahren auswirken könnte. Das ist sehr typisch vor allem für syrische Flüchtlinge, sagt der Beschwerdelotse Aba Bakr Süleyman. Denn diese Menschen haben teilweise jahrzehntelang in einer Diktatur gelebt, in der Beschwerden tabu waren.
"Jetzt in Deutschland haben sie manchmal Angst, sich zu beschweren. Aber wenn ich mit ihnen rede und erkläre, wie die Situation hier ist und dass jeder das Recht hat, sich zu beschweren, dann bekommen sie ein bisschen Mut und dann beschweren sie sich.
15 Beschwerdelotsen sind jeden Tag in den über 100 Unterkünften in Berlin unterwegs. Sie verteilen Flyer und versuchen, Vertrauen zu den Menschen aufzubauen.
Etwa 200 Beschwerden im Monat
Maike Caiulo Prahm, die Leiterin der Beschwerdestelle, sagt, dass die Beschwerden ständig steigen. Im Moment seien es etwa 200 im Monat. Vermutlich wären es aber noch mehr, wenn sich auch mehr Geflüchtete trauen würden, etwas zu sagen. Kommt es zu einer Beschwerde, dann wird die an die jeweilige Unterkunftsleitung oder an das Landesamt für Flüchtlinge weitergeleitet, das die Unterkünfte betreibt.
Ganz wichtig: Die Beschwerdestelle achtet dann auch drauf, dass es eine Rückmeldung gibt.
"Wir kontrollieren, dass die innerhalb von 14 Tagen antworten. Wenn es sehr dramatische Beschwerden gibt, wenn es um Gewalt oder Kinderschutz geht, dann arbeiten auch alle zusammen. Von der Unterkunft bis zur Behörde und wir – bis noch am selben Tag eine Lösung gefunden wird."
Einige Bewohner*innen haben sich beispielsweise auch mal über das Essen in ihrer Unterkunft beschwert, das ungenießbar gewesen sein soll. Ohne eigene Kochmöglichkeiten blieb den Menschen aber nichts anderes übrig, als es zu essen. Es kam zu einer Beschwerde und daraufhin wurde dort der Caterer gewechselt.
Beschwerdestelle kann nicht immer helfen – aber zumindest zuhören
In manchen Situationen stößt aber auch die Beschwerdestelle an ihre Grenzen. Etwa, wenn Menschen, die seit Monaten oder sogar Jahren in Massenunterkünften leben, endlich eine eigene Wohnung oder wenigstens ein abschließbares Zimmer wollen. Da können auch die Beschwerdelotsen nicht weiterhelfen – weil es einfach nicht genügend Wohnraum in Berlin gibt.
Doch selbst dann ist die Beschwerdestelle nicht völlig umsonst, meint eine iranische Lotsin, die selbst drei Jahre in einer Unterkunft leben musste, als sie nach Deutschland kam.
"Leider können wir bei einer Wohnung nicht helfen, aber manche haben so viele Probleme, sie möchten nur jemanden zum Zuhören. Ich bin auch als Flüchtling hierhergekommen. Ich verstehe solche Probleme."
Für viele Geflüchtete ist es wichtig, dass ihnen einfach mal jemand zuhört. Häufig ist die psychische Belastung sehr groß, die das Leben in solchen Unterkünften darstellt. Deshalb ist die Beschwerdestelle für diese Menschen auch eine Art Hilfsangebot.