Der Klimawandel stresst den Wald. Dabei soll genau dieser auch dazu dienen, die Erderwärmung zu reduzieren. Ein Wissenschaftler sagt: Weil die Bedingungen für den Wald so schlecht sind, wird das schwierig.

Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner hat den Waldzustandsbericht vorgestellt. Das Ergebnis in Kürze: Dem deutschen Wald geht es schlecht. Vor allem Fichten und Buchen haben unter der Hitze und Dürre der vergangenen Jahre gelitten. Die Fichte wurde stark vom Borkenkäfer befallen.

Wald kann sich auch erholen

Als Zusammenfassung ist an einigen Stellen zu lesen: Nur noch jeder fünfte Baum in Deutschland ist gesund.

Tatsächlich ist die Wald-Situation seit den Jahren 2010 bis 2012 deutlich schlechter geworden, doch könnte die Aussage "Nur jeder fünfte Baum ist gesund" auch etwas in die Irre führen: Denn die Kronenverlichtung – das ist das wichtigste Merkmal für die Beurteilung der Baumgesundheit – wird im Waldzustandsbericht in Fünf-Prozent-Schritten angegeben. Auf Seite 11 des Berichts ist zu sehen: Für 63 Prozent der Bäume gilt eine Warnstufe oder die Kronen sind weitgehend intakt. "Nur jeder fünfte Baum ist gesund", bedeutet also nicht, dass vier von fünf Bäumen krank sind.

37 Prozent der Bäume weisen eine "deutliche Kronenverlichtung" auf, sie sind also ziemlich krank bis quasi tot. Die Zahlen können absolut betrachtet unterschiedlich interpretiert werden, zudem zeigt die Statistik, dass sich Wald auch wieder erholen kann.

Die Entwicklung aber ist eindeutig: Seit 1984 (das früheste Jahr, das im Bericht ausgewiesen wird), war die Zahl der als krank geltenden Bäume noch nie so hoch.

"Vor drei bis fünf Jahren hätte niemand geglaubt, dass der Wald heute so aussieht, wie er aussieht."
Henrik Hartmann, Max-Planck-Institut für Biogeochemische Prozesse

Die Fachleute sind sich einig: Der Stress auf den Wald hat zugenommen, und es ist wahrscheinlich, dass er in Zukunft nicht wieder abnehmen wird. Um den Wald langfristig zu stärken, werden mindestens zwei Ansätze verfolgt:

  1. Den Wald zukunftsfähig machen und Bäume pflanzen, die zum Beispiel mit Hitze besser zurechtkommen als die Fichte. Welche Bäume sich am besten eignen, ist noch unsicher. Im Rennen sind unter anderem: Douglasie, Roteiche, Wildkirsche, Robinie und Tulpenbaum. Fest steht: Den perfekten Zukunftsbaum gibt es nicht, jeder Baum hat Vor- und Nachteile. Zusätzlich schwierig macht die Auswahl der Zukunftsbäume, dass die Wald-Bedingungen der Zukunft unsicher sind. Mischwälder scheinen gegenüber Monokulturen Vorteile zu haben.
  2. Den Klimawandel begrenzen. Henrik Hartmann vom Max-Planck-Institut für Biogeochemische Prozesse sagt: Der Wald hat es inzwischen so schwer, dass wir in erster Linie die Ursachen für das Baumsterben bekämpfen müssen. Die Maßnahmen dafür sind bekannt: Weniger Treibhausgase wie CO2 und Methan produzieren.

Sich um den Wald zu kümmern, ist wichtig

Und hier sind wir in einem Dilemma: Aufforstung wird ja auch als Methode angesehen, den Klimawandel zu bekämpfen, weil Bäume beim Wachstum Kohlenstoff binden. Wenn es aufgrund der heute schon sichtbaren Folgen des Klimawandels der Wald aber so schwer hat, dass er nur noch schlecht wachsen kann, sind die Effekte auf die Begrenzung des Klimawandels gering. Henrik Hartmann vom Max-Planck-Institut sagt: "Wir sehen, dass eine großflächige Aufforstung gar nicht möglich ist."

Aus der Sicht von Henrik Hartmann ist es trotzdem wichtig, sich um den Wald zu kümmern, und nicht nur, weil er die Erderwärmung reduzieren kann. Denn der Wald habe viele weitere Aufgaben wie Niederschlagsregulierung, Förderung der Artenvielfalt, und er ist ein Naherholungsgebiet für Menschen. Hartmann: "Auf den Wald zu setzen ist immer eine gute Sache."

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Shownotes
Waldzustandsbericht
Dem Wald geht es so schlecht wie nie
vom 24. Februar 2021
Moderator: 
Ralph Günther
Gesprächspartner: 
Henrik Hartmann, Max-Planck-Institut für Biogeochemische Prozesse