Zwei Staaten, Israel und Palästina, die friedlich miteinander existieren. Irgendwann, wenn der Krieg endet. Über diese Zweistaatenlösung wird gerade in New York auf einer UN-Konferenz diskutiert. Aber ist diese Lösung überhaupt noch realistisch?
Die Situation im Gazastreifen ist katastrophal. Wie ein Neuanfang und eine friedliche Koexistenz zwischen Palästinensern und Israelis nach dem Ende der militärischen Auseinandersetzungen aussehen kann, dafür scheint es bisher keine konkreten Pläne zu geben.
Der französische Präsident Emmanuel Macron hat auf dem Kurznachrichtendienst X angekündigt, dass er den palästinensischen Staat anerkennen will: Ende September bei der UN-Vollversammlung in New York will er das offiziell erklären – als erster G7-Staat überhaupt.
Update 29.07.2025: Auch Großbritannien hat den Druck auf Israel erhöht und die Anerkennung Palästinas bei der UN-Vollversammlung in Aussicht gestellt – allerdings nur dann, wenn Israel die Situation im Gazastreifen nicht wesentlich verbessere.
Macron hatte die offizielle Anerkennung Palästinas schon früher angekündigt, dennoch ist das Timing interessant. Denn die Suche nach einer friedlichen und nachhaltigen Lösung des Konflikts wird gerade etwas konkreter:
Ist die Zweistaatenlösung eine realistische Option?
Aktuell soll auf einer UN-Konferenz, die Frankreich gemeinsam mit Saudi-Arabien organisiert hat, die Möglichkeit einer Zweistaatenlösung ausgelotet werden. Macron knüpft im schriftlichen Austausch mit dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, gewisse Bedingungen an solch eine Lösung: Die Terrormiliz Hamas muss entwaffnet werden und im kommenden Jahr sollen Wahlen stattfinden.
Update 30.07.2025: Mehrere arabische Staaten haben den Terror der Hamas gemeinsam verurteilt und deren Entmachtung gefordert – als Schritt auf dem Weg hin zu einer Zweistaatenlösung.
Unser Korrespondent Julio Segador in Tel Aviv blickt für uns zurück auf die Entstehung der Idee einer Zweistaatenlösung. Wie ein gleichberechtigtes Leben von Palästinensern und Israelis aussehen kann, diese Frage ist seit Jahrzehnten ungelöst, sagt er.
Zweistaatenlösung – keine neue Idee
Verschiedene Konzepte existieren: Zum Beispiel das Konzept einer Ein-Staat-Lösung: Dass also sowohl Israelis als auch Palästinenser gleichberechtigt in einem Staat leben. Andererseits gibt es die wohl am häufigsten diskutierte Idee der sogenannten Zweistaatenlösung. Das würde bedeuten, dass es sowohl einen Staat Israel wie auch einen Staat Palästina gibt. Beide Staaten wären dann international anerkannt.
Viele strittige Punkte wären dafür allerdings noch zu klären:
- Beide Seiten müssten sich gegenseitig anerkennen.
- Ein Staat Palästina bräuchte eine funktionierende Verwaltung und eine Staatsmacht, die die unterschiedlichen Fraktionen vertritt.
- Zudem braucht er natürlich ein verbindliches und anerkanntes Staatsgebiet: Die Frage, auf welchem Gebiet ein Staat Palästina genau existieren würde, ist jedoch ungeklärt. Das Westjordanland ist inzwischen durchzogen von israelischen Siedlungen, die der internationale Gerichtshof als völkerrechtswidrig ansieht.
- Die Frage, zu welchem Staat Jerusalem mit seinen heiligen Stätten für Juden und Muslime gehören würde, ist zudem ein ganz wichtiger Punkt in der Debatte. Vor allem der Tempelberg spielt hier eine entscheidende Rolle.
Wie der erste Versuch der Zweistaatenlösung scheiterte
1993 gab es den bisher vielversprechendsten Versuch, eine Zweistaatenlösung umzusetzen. Damals haben der damalige israelische Premier Jitzhak Rabin und Palästinenser-Führer Jassir Arafat unter Vermittlung der USA das Friedensabkommen von Oslo (Oslo 1) unterzeichnet. Beide Seiten hatten sich darin auf eine friedliche Koexistenz und gegenseitige Anerkennung geeinigt.
Zwei Jahre später wurde Jitzhak Rabin von einem rechtsextremen Studenten ermordet – ein großer Rückschlag für die Friedensbewegung. Seitdem sind alle Versuche, eine Zweistaatenlösung herbeizuführen, gescheitert. Denn die strittigen Punkte sind bisher noch nicht gelöst.
Auch der politische Wille für eine friedliche Lösung scheint der Regierung unter Benjamin Netanjahu zu fehlen, so unser Korrespondent Julio Segador. Denn konkrete Pläne für ein friedliches Zusammenleben von Palästinensern und Israelis nach der Zeit der militärischen Auseinandersetzung scheint die israelische Regierung nicht zu haben.
"Ich bekomme viel Gegenwind: Ich sei ein 'self-hating jew' und ein Verräter."
Shai Hoffmann setzt sich für ein friedliches Zusammenleben von Palästinensern und Juden ein. Unter anderem führt er an Schulen sogenannte "Trialoge" im Rahmen der Initiative "Gesellschaft im Wandel" durch, um über den Konflikt in Nahost aufzuklären. Gemeinsam mit seiner Kollegin Jouanna Hassoun unterhält er sich mit den Schüler*innen und beantwortet ihre Fragen.
Ablehnung, Anfeindungen, Schweigen
Die Zuspitzung der aktuellen Lage kostet ihn viel Kraft. Durch die Aufklärungsarbeit, die er leistet, erlebt er Anfeindungen aus seiner Community und darüber hinaus – und muss zudem mit dem ablehnenden Schweigen seiner Familie umgehen.
Die Nachrichten, die er und seine Mitstreitenden derzeit aus Gaza erhalten, sind für ihn schwer zu verarbeiten. "Es sind unfassbare Bilder, die uns hier erreichen", sagt er. Shai Hoffmann wünscht sich etwas Abstand und fühlt sich urlaubsreif, weil sich die Situation im Gazastreifen eher verschärft, als sich zu verbessern, sagt er.
"Ich weiß gar nicht, was Worte für einen Wert haben, wenn ich Postings auf Instagram mache oder mit Politiker*innen spreche – ich habe das Gefühl, dass das im Sand verläuft."
Shai Hoffmann ist zuletzt im Mai diesen Jahres in Israel und den palästinensischen Gebieten unterwegs gewesen. Dort hat er mit ein paar Dutzend Menschen gesprochen. Der israelische Staat sei "ein ganz schönes Stück nach rechts gerückt", beschreibt er seinen Eindruck der aktuellen Situation.
Eine Zweistaatenlösung ist für viele Israelis gar kein Thema gerade
Die Zweistaatenlösung sei für die israelischen Menschen, mit denen er gesprochen habe, gar kein Thema, sagt Shai. Den Grund dafür sieht er darin, dass der 7. Oktober 2023, der Tag des Angriffs der Terrormiliz Hamas auf israelische Zivilisten, vielen Menschen als Trauma tief in den Knochen stecke.
"Niemand, dem ich begegnet bin, erhofft sich in der aktuellen Situation eine Zweistaatenlösung."
Neben der Zweistaatenlösung hält Shai Hoffmann auch die Idee einer Konföderation mit Jordanien für eine mögliche nachhaltige Lösung. Die Basis sei, dass sowohl Palästinenser als auch Juden und Jüdinnen in einem Land leben, in dem ihnen eine freiheitliche und selbstbestimmte Existenz möglich ist. Dafür bedarf es eines gewissen internationalen Drucks, glaubt Shai Hoffmann.
"Die letzten Jahrzehnte haben zu existenzieller Angst auf beiden Seiten geführt. Ich glaube, wir müssen jetzt nach neuen Lösungen suchen."
Info: Aufgrund der Weiterentwicklungen bei der UN-Konferenz in New York wurde dieser Text am 29.07. und 30.07.2025 um wichtige Informationen ergänzt. Diese sind mit Datumsangabe kenntlich gemacht.
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