Der Vater ist Kaminkehrer, die Mutter Friseurin - damit ist die Karriere von Marco Maurer eigentlich schon festgelegt: Hauptschulabschluss, Lehre, Handwerksberuf. Da hat man was in der Hand. Kann Geld verdienen. Heute ist Marco Maurer Journalist und freier Autor. Eine ungewöhnliche Geschichte für jemanden aus dem Arbeitermilieu - zumindest in Deutschland.

Die Rechnung ist einfach: von 100 Studierenden kommen nur 23 von ihnen kommen aus einem Haushalt, in dem die Eltern keine Akademiker sind. Einer davon war Marco Maurer. Dass er es überhaupt an eine Universität geschafft hat, grenzt an ein Wunder. Denn wäre es nach seinem ehemaligen Hauptschullehrer gegangen, hätte er nicht mal den Weg an eine höhere Schule geschafft - geschweige denn das Abitur gemacht.

Dass Marco Maurer kein Einzelfall ist, beweist seine Geschichte in der Zeit. 2013 war sein Text "Ich Arbeiterkind" die Titelstory der Zeitung. Weit über 400 Leserbriefe haben Marco Maurer danach erreicht. Darunter auch von so bedeutenden Persönlichkeiten wie Martin Roth, Direktor des Victoria and Albert Museums in London. Spätestens dann war klar: Marco Maurer hat mit seiner Geschichte einen Nerv getroffen. Der gerne geleugnete Standesdünkel - er existiert. Aber warum? Und warum ist es ausgerechnet in Deutschland so schwer, diesen Schatten loszuwerden?

Nur die Herkunft zählt

Obwohl Marco Maurer selbst die nötige Begabung für die Realschule abgesprochen wurde, machte er die Aufnahmeprüfung für die Realschule und anschließend eine Ausbildung zum Molkereifachmann. Nur wollte bei ihm statt Butter immer nur Rahm aus der Maschine kommen. Trotzdem blieb er drei Jahre in dem Beruf. Irgendwann war klar: das geht nicht. Hier werde ich nicht glücklich.

"Es wird wenig auf Träume und Begabungen geguckt, das sagen auch alle Studien. Das finde ich schade. Das ist für mich eine kleine Ungerechtigkeit."

Also holt Marco Maurer sein Abitur nach und studiert: Germanistik, Journalismus und Politologie. Das alles ohne große Schwierigkeiten - obwohl er in der Schule nur durchschnittliche Noten hatte. Danach ging er an die Journalistenschule in München. Heute räumt er reihenweise Preise für seine Porträts und Artikel ab. Er hat es geschafft. Und kann vielleicht genau deshalb das Sprachrohr derer sein, die Ähnliches erlebt haben, aber eben nicht so viel Gehör für ihre Geschichten finden. Einfach weil sie nicht den passenden Beruf haben.

Es wird zu früh selektiert

Aus den Reaktionen auf seinen Zeit-Artikel und einer ziemlich umfangreichen Recherche zum Thema Bildungschancen hat er jetzt ein Buch geschrieben: "Du bleibst, was du bist", heißt es. Er trifft soziale Aufsteiger wie Außenminister Frank-Walter Steinmeier, den Grünenpolitiker Cem Özdemir oder Bahnchef Rüdiger Grube. Was Marco Maurer beschäftigt, sind die Gründe für die nicht vorhandene Chancengleichheit im deutschen Bildungssystem.

Eines seiner Fazits: Die Kinder werden zu einem Zeitpunkt in verschiedene Bildungsinstitutionen einsortiert, zu dem sie noch gar nicht ihr volles Potenzial entfalten können. Ein späteres Ausbrechen aus dem ein mal eingeschlagenen Bildungsweg ist kaum möglich. Außerdem fehlt vielen Lehrern die pädagogische Qualifikation, diese Einschätzung überhaupt vornehmen zu können - das belegen inzwischen zahlreiche Studien. Ein Grund dafür: Bei den Lehrern fehlt die Selektion. Im Grunde genommen kann jeder Lehrer werden, der das Studium abschließt. Wie gut die pädagogischen Fähigkeiten sind, spielt überhaupt keine Rolle. Doch genau diese Fähigkeiten würden helfen, Schüler besser einzuschätzen.

Lehrer mit Vorurteilen

Für seine Recherchen hat Marco Maurer auch ziemlich viele Schulen besucht. Unter anderem seine ehemalige Realschule. Eine Mädchen-Realschule ist ihm besonders in Erinnerung geblieben: Zusammen mit der Organisation Arbeiterkind.de wollte er Mädchen aus bildungsfernen Milieus vermitteln, dass sie natürlich auch ihre akademischen Berufswünsche verwirklichen können. Dazu sollten sie an die Tafel schreiben, was sie denn werden möchten. Die Reaktion der Schulleiterin verdeutlicht, wie stark der Einfluss der Lehrer ist:

"Setzen sie doch diesen Mädchen keine Flausen in den Kopf. Die wollen doch eh alle nicht studieren."
Viele Lehrer haben solche Schablonen im Kopf, sagt Marco Maurer

Marco Maurer macht die Gegenprobe: 12 der 20 Mädchen schreiben Berufe wie Ärztin oder Rechtsanwältin an die Tafel - Berufe, für die Abitur und Studium zwingende Voraussetzungen sind. Dass diese Haltung der Lehrer die Schüler nicht gerade motiviert, hat er selbst erfahren. Als ihm seine Mutter sagte, dass sein damaliger Hauptschullehrer nicht glaubt, dass er die Aufnahmeprüfung für die Realschule schafft, hat ihn das tief getroffen. Auch deshalb plädiert er für mehr Offenheit den Schülern und ihren Wünschen gegenüber.

Marco Maurer stellt sein Buch vor

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