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Steigt der Mindestlohn, wird's eng, sagt Bäckermeister Tobias Exner stellvertretend für viele kleine Betriebe. Gewerkschaften argumentieren dagegen: Es gehe um Gerechtigkeit. Wir fragen: Kann oder muss sich Deutschland einen höheren Mindestlohn leisten?

Handgemachte Brote, regionale Zutaten, treue Kundschaft – den Bäckereibetrieb Exner gibt es seit fast 100 Jahren. Tobias Exner leitet den Betrieb, den seine Vorfahren in Beelitz bei Potsdam gegründet haben.

Doch Exners Realität ist nicht nur eine andere als die seiner Vorfahren, sondern auch eine andere als noch vor fünf Jahren. Spätestens seitdem sei das Verhältnis zwischen Kosten und Einnahmen angespannt, erzählt er. "In den letzten fünf Jahren haben wir unsere Preise um 35 Prozent erhöht, aber die Kosten sind um 45 Prozent gestiegen."

Sind 15 Euro Mindestlohn eine zu große Herausforderung für Unternehmen?

Exner sagt, in seiner Bäckerei machen die Löhne etwa 50 Prozent der Kosten aus. Er argumentiert gegen eine mögliche Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro: "Wenn der Mindestlohn steigt, steigen nicht nur die Gehälter derjenigen, die Mindestlohn beziehen. Alle anderen Mitarbeitenden wollen dann auch mehr verdienen – vom Fachverkäufer über die Putzkraft bis zum Elektriker", sagt er.

Bäckermeister Tobias Exner hält ein Brot in der Hand
© picture alliance/dpa | Soeren Stache (Archivbild von 2022)
In fünf Jahren sind seine Kosten um 45 Prozent gestiegen, sagt Bäcker Tobias Exner.

Seine Sorge: Am Ende würden die Gesamtkosten für seinen Betrieb um rund 17 Prozent steigen. Das sei zu viel.

"Wir verkaufen ein Produkt und zahlen davon unsere Rechnungen. Alles, was mehr kostet, zahlt später der Kunde.“
Tobias Exner, Bäckermeister und Unternehmer

Existenzangst werde er bei Einführung der 15 Euro pro Stunde wohl nicht haben, meint er. "Ich bin kein ängstlicher Mensch, aber ich kann rechnen. Wenn wir die steigenden Kosten nicht weitergeben können, dann zahlen wir irgendwann unsere Rechnungen nicht mehr." Am Ende könne das ein kleines genauso wie ein großes Unternehmen ruinieren.

Lohnerhöhung angesichts wirtschaftlicher Flaute?

Journalist Nicolas Lieven beobachtet die wirtschaftlichen Entwicklungen seit Jahren. Er weiß: Die Lage ist angespannt. "Wir hatten jetzt drei echt schlechte Jahre – mit Nullwachstum oder sogar Schrumpfung. Da sagt natürlich jede Branche: Bitte keine weiteren Belastungen!"

"Natürlich bringt Menschen mit geringem Einkommen ein höherer Mindestlohn etwas. Wir sprechen von rund 380 Euro brutto mehr im Monat."
Nicolas Lieven, Wirtschaftsjournalist

Auf der anderen Seite gibt er zu bedenken: Der Mindestlohn reicht oft nicht zum Leben aus. Zudem, argumentiert der Wirtschaftsjournalist, zeigen Zahlen, dass ausgerechnet Menschen, die nicht viel verdienen, bei Lohnerhöhung nicht sparen, sondern das Geld direkt für Leben, Miete, Lebensmittel und Kleidung ausgegeben. Der höhere Mindestlohn müsste demnach auch der Binnenkonjunktur helfen, so Lieven.

Mindestlohnkommission macht Vorschlag, doch am Ende entscheidet die Politik

Ein häufiger Kritikpunkt bezüglich höherem Mindestlohn lautet, er werde Jobs kosten. Lieven hält dagegen: "Als der Mindestlohn 2015 mit 8,50 Euro eingeführt wurde, gab es Horrorszenarien. 900.000 Jobs sollten verschwinden. Und was ist passiert? Nichts."

Allerdings, fügt er hinzu, sei es damals der Wirtschaft besser gegangen. Im Jahr 2025 sei das anders: "Arbeitslosenzahlen steigen wieder, viele Unternehmen stehen unter Druck." Deshalb sei die Sorge der Unternehmen nicht unberechtigt.

Gerade aufgrund der wirtschaftlich schlechten Lage bezweifelt Lieven, dass die 15 Euro ab 2026 kommen – dann wäre die Erhöhung geplant. Seine Prognose: "Wahrscheinlich wird man sich für 2026 auf einen Betrag mit einer 14 vorne einigen und dann 2027 auf 15 Euro." Wenn nicht, drohe Streit zwischen den Koalitionspartnern CDU/CSU und SPD.

"Wenn die Mindestlohnkommission unter 15 bleibt, sagen wir bei 14 Euro, dann gibt’s richtig Zoff in der Koalition."
Nicolas Lieven, Wirtschaftsjournalist

Die Entscheidung über die Höhe des Mindestlohns fällt die Mindestlohnkommission, die besteht aus je drei Vertreter*innen von Arbeitgeber*innen, Arbeitnehmer*innen sowie einer unabhängigen Vorsitzenden und zwei beratenden Wissenschaftler*innen.

Bei der Entscheidungsfindung berücksichtigen sie Lohnentwicklung, Wirtschaftslage und mittleres Einkommen. Das Ergebnis wird dann der Politik vorgelegt. Die entscheidet dann, ob sie dem zustimmt oder eben nicht.

Höhere Lohne in herausfordernden Zeiten?

Unternehmer Tobias Exner erwartet die Entscheidung der Kommission, die für Freitag (27.6.25) erwartet wird, mit Spannung. Ans Aufgeben seines Betriebes denkt er im Falle einer Erhöhung nicht.

Und er betont: Natürlich sei er dafür, dass Menschen von ihrem Lohn leben können. Die Last dafür sollten seiner Ansicht aber nicht einzig die Unternehmen tragen, die angesichts der Wirtschaftslage ohnehin schon vor Herausforderungen stehen.

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an Info@deutschlandfunknova.de

Shownotes
Mindestlohnkommission kurz vor Entscheidung
15 Euro Mindestlohn: Wer zahlt den Preis?
vom 25. Juni 2025
Moderation: 
Nik Potthoff
Gesprächspartner: 
Tobias Exner, Bäckermeister mit eigenem Betrieb
Gesprächspartner: 
Nicolas Lieven, Wirtschaftsjournalist