Im 4. Jahrhundert Mitglied im Kölner Magistrat zu sein, bedeutete zwar Macht, trotzdem war es kein allzu beliebter Job. Quasi wegen Personalmangel erlies Kaiser Konstantin ein Dekret, das Juden den Eintritt in den Rat der Stadt ermöglichte. Es belegt, dass es schon vor 1700 Jahren jüdisches Leben in der Stadt gab.

In Colonia Claudia Ara Agrippinensium – heute besser bekannt als Köln – gibt es im 4. Jahrhundert so etwas wie Politikverdrossenheit: Kaum ein Bürger will sich der mühevollen Aufgabe unterziehen, Mitglied im Kölner Magistrat zu sein. Bürgerinnen dürfen diese Aufgabe zu dieser Zeit sowieso nicht übernehmen.

Zwar ist das Amt durchaus mit Macht und Ansehen verbunden: Die Ratsherren müssen weitreichende Entscheidungen treffen – etwa ob hier oder da eine Straße gebaut oder ein Fest gefeiert werden soll. Aber sie müssen auch Steuern eintreiben - eine Aufgabe, die sie nicht besonders beliebt bei ihren Mitbürgern macht.

Das Dekret des römischen Kaisers Konstantin, in welchem das im gesamten deutschen Reich gültige Gesetz niedergeschrieben ist, wonach Juden städtische Ämter in den Kurien, den römischen Stadträten begleiten durften und sollten.
© imago | Klaus W. Schmidt
Wertvolles Dokument aus dem Vatikan: Das Dekret des römischen Kaisers Konstantin, in welchem das im gesamten deutschen Reich gültige Gesetz niedergeschrieben ist, wonach Juden städtische Ämter in den Kurien, den römischen Stadträten begleiten durften und sollten.

Das größte Problem aber ist, dass das Amt nicht bezahlt wird. Im Gegenteil: Die Ratsherren müssen eigenes Geld beim Bau von öffentlichen Einrichtungen oder der Ausrichtung von Festen verwenden. Und wenn die Steuereinnahmen unter den Erwartungen bleiben, dann haben sie für Ausgleich zu sorgen.

Mit der Zeit wird es somit schwieriger, genügend Ratsherren zu finden, die den Job übernehmen wollen. Im Jahr 321 verfasst der Kölner Stadtrat aus diesem Grund ein Schreiben an den römischen Kaiser Konstantin.

Konstantin erlässt Dekret, das Juden den Eintritt in den Rat der Stadt Köln ermöglicht

Kaiser Konstantin ist besorgt, denn Köln ist die Hauptstadt der Provinz Niedergermanien und hat innerhalb des Römischen Reichs eine hohe Bedeutung. Um weiteres Chaos in der Stadt am Rhein abzuwenden, erlässt er ein kaiserliches Edikt, mit dem er "zwei oder drei Juden das immerwährende Privileg" einräumt, im Magistrat der Stadt vertreten zu sein.

Dokument belegt jüdisches Leben in Deutschland

Damit ist das erste bis heute erhaltene Dokument verfasst, das ein Beleg für jüdisches Leben nicht nur in Köln darstellt. Im Süden Europas, hinter den Alpen und rund um das Mittelmeer, gibt es weitere Belege für jüdisches Leben: Grabplatten mit hebräischen Inschriften, antike Öllampen oder siebenarmige Leuchter.

Ihr hört in Eine Stunde History:

  • Deutschlandfunk-Nova-Reporter Martin Krinner über die Lage in
    Köln, als 321 das kaiserliche Dekret die Beteiligung von Juden im Magistrat der Stadt erlaubte
  • Der Kölner Historiker Carl Dietmar zum jüdischem Leben im Rheinland und in Köln
  • Deutschlandfunk-Nova-Geschichtsexperte Matthias von Hellfeld über die Anfänge jüdischen Lebens in Europa, nach der Vertreibung aus Jerusalem und Palästina
  • Die Historikerin Miriam Goldmann vom Jüdischen Museum in Berlin zum Leben der Juden im mittelalterlichen Europa
  • Die Berliner Schriftstellerin Dana Vowinckel über junges jüdisches Leben heute
Shownotes
Jüdisches Leben in Deutschland
321 – Juden im Magistrat von Köln
vom 19. November 2021
Moderatorin: 
Meike Rosenplänter
Gesprächspartner: 
Matthias von Hellfeld, Deutschlandfunk-Nova-Geschichtsexperte