Jahrzehntelang standen in den Regalen der Familie Freyer hebräische Bücher, die einmal der Jüdin Ruth Less gehört haben. Sie waren zur Nazizeit in den Besitz der Freyers überggangen. Die Enkelin Verena Freyer möchte die Bücher gerne zurückgeben.
Verena Freyer war schon immer literarisch interessiert und bei ihren Eltern im Bücherregal standen immer viele Bücher. Darunter auch einige Bücher, die anders waren. Sie waren alt und darin stand ein fremder Name: Ruth Less.
"Diese Bücher waren deshalb besonders weil sie alt waren und von jüdischen Autoren stammten. Meine Eltern haben sonst sehr viel Gegenwartsliteratur. Und sie waren auch deshalb besonders, weil ein fremder Name in ihnen stand."
Darum hat Verena nachgefragt: Sie wollte wissen, wer diese Ruth Less gewesen ist. Ihre Mutter erzählt ihr: Ruth Less war eine jüdische Frau in ihrem Heimatort, mit der Verenas Großmutter zu tun hatte. Verena Freyers Oma erinnert sich daran, dass sie als Kind mit der Familie Less in einem Haus gelebt hat. Die Familie Less hatte einen Schuhladen, war belesen und intellektuell. Der Vater war in Vereinen engagiert und ein anerkannter Geschäftsmann.
Die Enkelin will die Bücher zurückgeben
Verena Freyer entscheidet sich, dass sie diese Bücher an die ursprüngliche Besitzerin zurückgeben will. Sie fängt mit einer einfachen Google-Recherche und findet die Memoiren von Helen Less. Helen war die Schwester von Ruth Less. Was Verena Freyer in den Memoiren liest, "haut sie um". Die Familie Less musste 1939 die Stadt verlassen und ist nach Berlin gegangen. Die Bücher und den Hausrat haben sie zurückgelassen. Viele dieser Dinge sind dann in den Besitz von Verenas Familie übergegangen - auch die Bücher. Verena Freyer geht davon aus, dass ein Mitglied aus der Stieffamilie ihrer Großmutter das Less-Haus gekauft hat. "Vermutlich ist auch Geld geflossen, ob es der Marktwert war, kann man bezweifeln."
Daraus entsteht Verenas Wunsch, den letzten Besitz der Familie Less, der nach dem Krieg in ihrer Familie geblieben ist, zurückzugeben. Die gute Nachricht: Ruth und ihre Schwester haben die Nazizeit überlebt. Doch mittlerweile lebt nur noch ihre Schwester Helen.
"Die Memoiren von Helen Less waren eine Aufarbeitung der Lebensgeschichte - mit Verstecken, mit Zwangsarbeit, mit Denunziation und ins KZ kommen."
Verena nimmt Kontakt zu Helen Less auf und bietet ihr an, die Bücher zurückzugeben. Helens Antwort überrascht sie.
Mehr über das Zurückgeben im Netz
- Falsches Erbe - Wie Menschen versuchen jüdisches Erbe zurückzugeben | Artikel auf Süddeutsche Online
- Stiftung Zurückgeben | Die Stiftung fördert Künstlerinnen und Wissenschaftlerinnen jüdischer Herkunft oder jüdischen Glaubens, die in Deutschland leben.
Wir erzählen Eure Geschichten
Habt ihr etwas erlebt, was unbedingt erzählt werden sollte? Dann schreibt uns! Storys für die Einhundert sollten eine spannende Protagonistin oder einen spannenden Protagonisten, Wendepunkte sowie ein unvorhergesehenes Ende haben. Im besten Fall lernen wir dadurch etwas über uns und die Welt, in der wir leben.
Wir freuen uns über eure Mails an einhundert@deutschlandfunknova.de