Eine Studie an der RWTH Aachen legt nahe: Youtube-Videos spiegeln nicht den wissenschaftlichen Konsens über den Klimawandel wider.

Der Mensch ist Hauptverursacher des Klimawandels. Dieser Erkenntnis stimmen Wissenschaftsakademien aus 80 Ländern zu, viele wissenschaftliche Organisationen und 97 Prozent der Klimawissenschaftlerinnen und -wissenschaftler. Bei Youtube hingegen sieht die Sache anders aus. Joachim Allgaier vom Lehrstuhl für Technik und Gesellschaft der RWTH in Aachen hat über 200 prominent gerankte Youtube-Videos untersucht und kommt zu dem Ergebnis: Der wissenschaftliche Konsens vom menschengemachten Klimawandel findet sich hier nicht wieder. Stattdessen operieren diese Videos mit vermeintlich wissenschaftlichen Begriffen, um glaubwürdiger rüberzukommen.

Joachim Allgaier warnt deshalb: Wer Youtube nutzt, um sich über den Klimawandel zu informieren, findet meist Inhalte vor, die mit dem Stand der Forschung zum Thema nicht zu vereinbaren sind. Viele der Videos beinhalten ihm zufolge zudem Verschwörungstheorien, die vermittelten, dass das mit dem Klimawandel gar nicht so schlimm ist.

Untersucht hat Allgaier top gerankte Videos, die er unter den Suchbegriffen "Klima", "Klimawandel", "Globale Erwärmung" und "Klimawissenschaften" gefunden hat. Aber auch nach verschwörungstheoretischen Schlagworten wie "Chemtrails", "Klimahacking" oder "Klima Manipulation" hat der Wissenschaftler gesucht. Die Inhalte der Videos wurden dann mit dem verglichen, was das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) als wissenschaftlich erwiesen festgehalten hat. Das UN-Gremium trägt seit vielen Jahren die Forschungsergebnisse von Wissenschaftlern weltweit zum Klimawandel zusammen.

Wissenschaftliche Fakten fehlen

Mehr als die Hälfte der Videos unter den Top 200 Suchresultaten zum Thema Klimawandel spiegeln die wissenschaftlichen Fakten des IPCC der Untersuchung zufolge nicht wider. Bei den neutralen Suchbegriffen wie Klimawandel oder globale Erwärmung sieht es demnach dabei noch recht gut aus. Die dort aufgelisteten Videos führten meist zu TV-Berichten und Dokumentationen, die den Stand der Wissenschaft mehr oder weniger korrekt wiedergaben. Bei den verschwörungstheoretischen Suchbegriffen gingen nur wenige Videos auf die wissenschaftlichen Fakten zum Klimawandel ein, so die Studie. Die meisten unterstützen stattdessen die Chemtrail-Verschwörungstheorie. Diese Videos haben fast genauso viele Views, wie die Videos, die den wissenschaftlichen Standards entsprechen, berichtet unsere Netzreporterin Martina Schulte.

"Das Traurige ist, dass die Videos mit den wissenschaftlich korrekten Fakten gerade mal rund 2300 Views mehr hatten als die verschwörungstheoretischen Gaga-Videos zum Klimawandel."
Martina Schulte, Netzreporterin bei Deutschlandfunk Nova, über die Studienergebnisse

Die Videos, die keine wissenschaftlichen Fakten enthalten und unbelegte oder falsche Behauptungen aufstellen, zu löschen, hält Joachim Allgaier für keine gute Idee. Das wäre Zensur. Aber er sieht Youtube in der Verantwortung, seine Algorithmen anzupassen, damit solche Videos nicht so prominent nach oben gespült werden.

Es gibt von Seiten Youtubes bereits erste Bestrebungen gegenzusteuern. So werden unter verschwörungstheoretischen Videos zum Beispiel erklärende Wikipedia-Artikel mit den Fakten verlinkt. Allgaier sieht aber auch die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Pflicht, Youtube selber als Plattform begreifen zu müssen, auf denen sie ihre Forschungsergebnisse verbreiten – Sie sollten dazu mit Kommunikatoren, Influencern und Politikerinnen und Politikern zusammen arbeiten, um ein größtmögliches Publikum zu erreichen.

Shownotes
Algorithmen
Youtube spiegelt Konsens über Klimawandel nicht wider
vom 26. Juli 2019
Moderatorin: 
Diane Hielscher
Gesprächspartnerin: 
Martina Schulte, Deutschlandfunk Nova