Dass Antibiotika nicht nur bei uns Menschen, sondern auch bei Tieren eingesetzt werden, ist bekannt. Weniger bekannt: Auch beim Anbau von Pflanzen werden Antibiotika eingesetzt.

Ein britisches Forscherduo des Centre for Agriculture and Bioscience International hat dazu mehr als 100 Anbaupflanzen untersucht und festgestellt, dass in einigen Ländern etliche Tonnen Antibiotika pro Jahr auf den Feldern ausgebracht werden. Oft ist der Einsatz von Antibiotika kaum zielführend und wird teilweise schon als Prophylaxe empfohlen, berichten die britischen Forscher.

Elf verschiedene Mittel im Einsatz

Das Forscherduo hat dazu Daten aus den Jahren 2012 bis 2018 ausgewertet. Untersucht wurden 32 Länder weltweit, die ein niedriges oder mittleres Einkommen haben. Dazu gehören Länder der amerikanischen Kontinente, des östlichen Mittelmeerraums, Südostasiens, Afrikas und all diejenigen, die an den Pazifik angrenzen.

Es zeigte sich: In all diesen Gebieten - mit der Ausnahme von Afrika - werden elf verschiedene Antibiotika im Pflanzenanbau eingesetzt. Oft wird dabei nicht nur ein Antibiotikum, sondern eine Mischung aus verschiedenen Mitteln verwendet.

Häufig sinnlose Verwendung

Empfohlen wird den Bauern der Einsatz der Mittel von Landwirtschaftsberatern, erklärt Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Wiebke Lehnhoff. Meistens wird zum Einsatz gegen bakterielle Pflanzen-Krankheiten geraten, ein "alarmierender Anteil" wird laut der Forschenden jedoch auch für Krankheiten und Probleme empfohlen, bei denen Antibiotika nicht helfen können. Darunter fällt beispielsweise der Insektenbefall, sagt Wiebke Lehnhoff.

"Die Forscher sagen, dass ein 'alarmierender Anteil' auch empfohlen wird für andere Krankheiten und Probleme, bei denen Antibiotika gar nicht helfen können."
Wiebke Lehnhoff, Deutschlandfunk-Nova-Reporterin

Zudem wird den Bauern geraten, die Antibiotika bereits vorbeugend einzusetzen, also bevor die Pflanzen überhaupt Krankheiten oder Befall aufweisen.

70 Tonnen auf Reisfeldern

In Südostasien finden die Antibiotika vor allem Einsatz auf den Reisfeldern. Die Forscher schätzen, dass dort pro Jahr insgesamt etwa 70 Tonnen Streptomycin und Tetracycline gesprüht werden.

Heranzüchtung von Antibiotikaresistenzen

Für die Forscher sind diese Zahlen mehr als alarmierend. Sie empfehlen, dass der Antibiotikaeinsatz bei Anbaupflanzen in Zukunft deutlicher kontrolliert werden sollte. Denn auf diese Weise könnten Antibiotikaresistenzen geradezu herangezüchtet werden, sagt Wiebke Lehnhoff.

"Deshalb warnen die Forscher, dass der Antibiotika-Einsatz bei Anbaupflanzen jetzt viel stärker unter die Lupe genommen werden muss – weil Antibiotikaresistenzen auf diesem Weg geradezu herangezüchtet werden."
Wiebke Lehnhoff, Deutschlandfunk-Nova-Reporterin

In Kombination mit anderen landwirtschaftlichen Chemikalien könnte dieser Prozess sogar noch schneller gehen. Für uns bedeutet das: Essen wir beispielsweise Reis, der mit Antibiotika behandelt wurde, könnten wir die resistent gewordenen Bakterien aufnehmen und so die Resistenzen an unsere eigene Bakterienflora weiter geben. Besonders risikoreich wäre der Verzehr von rohen Lebensmitteln.

In Deutschland seit 2014 verboten

In Deutschland gibt es seit 2014 ein offizielles Verbot, sämtliche Antibiotika als Pflanzenschutzmittel einzusetzen, wie uns das Bundesamt für Verbraucherschutz bestätigt hat. Bis 2012 wurde beispielsweise Äpfel mit einem bestimmten Antibiotikum behandelt, um sie gegen den Feuerbranderreger zu schützen.

Shownotes
Weltweiter Einsatz in der Landwirtschaft
Antibiotika auf dem Feld: Oft wenig zielführend
vom 24. Juni 2020
Moderator: 
Christian Schmitt
Gesprächspartnerin: 
Wiebke Lehnhoff, Deutschlandfunk Nova