Der Winter naht – und damit die Erkältungszeit. Wer dann zum Arzt geht, kehrt nicht selten mit einem Rezept für ein Antibiotikum zurück. Aber ist das wirklich immer sinnvoll? Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Verena von Keitz hat recherchiert und einen Merkzettel für den nächsten Arztbesuch zusammengestellt.
Je öfter Antibiotika eingesetzt werden, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Bakterien Resistenzen entwickeln. Von 2000 bis 2015 ist die Einnahme von Antibiotika aber um ganze 65 Prozent weltweit gestiegen – das besagt eine Studie, die in PNAS (Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America) veröffentlicht wurde. Verena von Keitz hat die Studie zum Anlass genommen, mal genauer hinzuschauen, wann wir Antibiotika wirklich brauchen.
Sie hat für uns einen Merkzettel geschrieben, wie wir bestmöglich mit unserer Ärztin über Antibiotika sprechen können:
- Sagen, was ich mir von dem Besuch erhoffe
- Was könnte passieren, wenn ich in den nächsten Tagen erstmal kein Antibiotikum einnehme?
- Woran erkenne ich, dass es ein gefährlicher Infekt ist?
- Wie lange soll ich das Antibiotikum nehmen?
Sagen, was ich mir von dem Besuch erhoffe
Der erste wichtige Hinweis gilt eigentlich für jeden Arztbesuch: Wir sollten unserer Ärztin oder unserem Arzt sagen, was wir erwarten. Zum Beispiel, ob wir einfach nur eine Krankschreibung benötigen, damit wir uns zuhause ausruhen können. Oder aber, dass wir in den nächsten Tagen einen wichtigen Termin haben und schnell wieder fit werden wollen.
Das empfiehlt Attila Altiner. Er ist Arzt und Direktor vom Institut für Allgemeinmedizin an der Uni Rostock und beschäftigt sich intensiv mit der richtigen Arzt-Patienten-Kommunikation und vernünftigem Antibiotika-Einsatz.
"Für einen Arzt ist es ganz wichtig und ich beantworte das jetzt mal aus ärztlicher Sicht, dass ich eine Vorstellung davon habe, was eigentlich die Erwartung meines Patienten ist."
Attila Altiner sagt aber auch, dass es manchmal darauf ankommt, wie wir unser Anliegen formulieren. Wenn wir zum Beispiel sagen: "Ich will Antibiotika aber nur nehmen, wenn es wirklich nötig ist", dann klingt das für den Arzt ungefähr so wie: "Die Blinddarm-Operation bitte nur, wenn sie wirklich nötig ist", und unterstellt ihm quasi, dass er unnötig Antibiotika verschreibt. Kein guter Einstieg in ein Gespräch. Besser wäre es, zu sagen, dass wir erst einmal auf Antibiotika verzichten möchten, dass wir aber bereit sind, wiederzukommen, falls wir uns schlechter fühlen.
Was könnte passieren, wenn ich in den nächsten Tagen erstmal kein Antibiotikum einnehme?
Wenn wir diese Frage mit dem Arzt besprechen, hilft es uns, mögliche Folgen einzuschätzen. Attila Altiner sagt, dass unser Immunsystem in der Regel mit den meisten akuten Atemwegsinfekten selbst fertig wird, wenn wir ansonsten gesund sind - und zwar egal, ob Viren oder Bakterien für den Infekt verantwortlich sind. Viele haben im Kopf, dass Antibiotika nur gegen Bakterien helfen, also: Bei Viren kein Antibiotikum nehmen, bei Bakterien schon. Doch das ändert sich gerade. Attila Altiner sagt, die Frage, ob es ein viraler oder bakterieller Infekt ist sei nicht so relevant. Wichtiger sei es, ob das Immunsystem mit der Krankheit fertig werde oder nicht.
"Das Entscheidende ist nicht: Ist der Infekt viral oder bakteriell, sondern ist er gefährlich oder nicht gefährlich? Und ist es ein Infekt, mit dem das körpereigene Immunsystem gut klar kommt oder nicht?"
Wichtig ist also, den Infekt weiter zu beobachten: Fühlen wir uns nach ein paar Tagen besser oder noch schlechter? Kommt unser Immunsystem damit zurecht? Falls wir uns schlechter fühlen, deutet das auf einen schwerwiegenderen Infekt hin, bei dem eine Antibiotika-Behandlung durchaus sinnvoll sein kann.
Woran erkenne ich, dass es ein gefährlicher Infekt ist?
Wirklich gefährlich kann es beispielsweise werden, wenn sich unser Gesundheitszustand innerhalb weniger Stunden stark verschlechtert. Wenn wir plötzlich hohes Fieber bekommen, Schmerzen haben oder kaum noch Luft bekommen. Dann gilt: sofort zum Arzt. Solche Verläufe seien jedoch eher selten, sagt Attila Altiner.
Wie lange soll ich das Antibiotikum nehmen?
Wenn der Arzt uns nach all diesen Fragen trotzdem ein Antibiotikum verschreibt, sollten wir auf jeden Fall fragen, wie lange wir es einnehmen müssen. Denn lange Zeit galt die Regel, dass die Tabletten immer bis zum Ende der Packung eingenommen werden müssen. Gerd Fätkenheuer ist Präsident der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie und sagt, dass sich diese Regel gerade ändert.
Denn die Größe der Packungen sei eher zufällig – also ob es 10, 20 oder 30 Tabletten sind, sagt Gerd Fätkenheuer. Wieviele Tabletten eines Antibiotikums nötig sind, ist aber von Infektion zu Infektion sehr unterschiedlich. Heute gehe man daher dazu über, individuell festzulegen, wie lange ein Antibiotikum eingenommen werden sollte. Je nach Krankheitsverlauf könnten die restlichen Tabletten dann auch nach Absprache mit dem Arzt in der Schachtel bleiben. Auch er hält eine offene Kommunikation zwischen Arzt und Patient über Antibiotika für sehr wichtig.
"Das kritische Nachfragen, die Diskussion, das Sich-erklären-Lassen warum ist das so, das ist etwas, wozu ich ermuntern möchte."
Unsere Reporterin Verena von Keitz empfiehlt außerdem: Wenn wir das Gefühl haben, unser Arzt oder unsere Ärztin blocken bei den Fragen ab und nehmen sich keine Zeit für das Thema, dann könnten wir vielleicht darüber nachdenken, den Arzt zu wechseln.
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