Präsentismus nennt sich das Verhalten, wenn wir krank zur Arbeit gehen. Das liegt meistens an falschen Schuldgefühlen, sagt Arbeitspsyhologe Tim Hagemann. Der Wissenschaftler ist überzeugt, dass sich daran etwas ändern muss und kann.
Wenn wir krank werden, arbeiten wir oft einfach weiter. Tim Hagemann, Professor für Arbeitspsychologie an der Fachhochschule der Diakonie Bielefeld, sagt: Pflichtgefühle den Kolleginnen und Kollegen gegenüber und die Angst, dass Arbeit liegen bleibt, seien häufig die Ursache für Präsentismus. In vielen Branchen herrsche aber auch Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren.
Präsentismus: Besonders soziale Jobs sind betroffen
Das trete laut dem Wissenschaftler häufig im Gesundheits- und Sozialwesen auf - weil man eben da besonders viel Verantwortung für Patienten, Jugendliche und Kinder trägt. Außerdem ist es in vielen Branchen schwer, so kurzfristig eine Vertretung zu finden.
"Es zeigen viele Untersuchungen, dass ungefähr zwei Drittel, die krank zur Arbeit gehen, an chronischen Erkrankungen leiden."
Zwar sei die Wissenschaft um Präsentismus abhängig von Umfragen, sagt Hagemann. Aber aus allen Studien würde sich herauskristallisieren, dass immer mehr Menschen sich krank zur Arbeit schleppen. "Natürlich besteht die Gefahr, dass sich andere anstecken, und ich bin dann natürlich auch leistungsgemindert."
Das hindere einen daran, wirklich gesund und wieder voll leistungsfähig zu werden, und das Risiko, dass die Krankheit chronisch wird, sei viel höher. Inzwischen weisen etwa zwei Drittel, die krank zur Arbeit gehen, chronischen Erkrankungen auf.
"Das wichtigste ist, dass man weiß: Wenn man jetzt ernsthaft erkrankt ist und man sich nicht schont, braucht der Heilungsprozess deutlich länger."
Das könne langfristig auch volkswirtschaftliche Folgen haben, vermutet Hagemann. Sprich: Der Arbeitgeber leidet auch am Präsentismus. Laut der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zeigen US-amerikanische Untersuchungen, dass die betriebswirtschaftlichen Kosten, die durch Präsentismus entstehen, mindestens so hoch wie die des krankheitlichen Fehlens sind.
"Vielleicht ist das auch ein bisschen Eitelkeit: Dass man irgendwie denkt, man ist nicht ersetzbar."
Präsentismus kann laut Tim Hagemann sowohl gesellschaftlich als auch individuell vorgebeugt werden: Die Arbeitsstruktur müsse sich ändern, sodass wir uns etwa auf Springer verlassen können.
"Das andere ist natürlich auch die individuelle Haltung, dass ich begreife: Das Leben ist ein langer Lauf, und wenn ich mich häufig nicht schone, ist das langfristig keine gute Strategie", sagt der Wissenschaftler. Das müssten aber die meisten von uns lernen - inklusive Tim Hagemann selbst, wie er selbst gesteht.
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