Der Streit zwischen Seehofer und Merkel ist nicht beigelegt - er wurde nur verschoben. Und es wartet ein riesiges Aufgabenpaket auf Angela Merkel.

Noch am Freitag drohte eine Eskalation im Konflikt zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Innenminister Horst Seehofer. Kern der Diskussion: Dürfen Geflüchtete, die bereits in einem EU-Land registriert sind, an deutschen Grenzen abgewiesen werden? Seehofer will hier ein hartes Vorgehen bei der Abweisung durchsetzen und drohte mit einem Alleingang, sollte Merkel nicht zustimmen.

Lösung nicht in Sicht

Nun ist der Konflikt lediglich vertagt worden. Man einigte sich darauf, bis zum Abschluss des EU-Gipfels Ende Juni zu warten. Bis dahin hat Merkel Zeit, eine europäische Lösung in dieser Frage auszuloten. Ulrike Winkelmann, Politikredakteurin beim Deutschlandfunk, analysiert für uns die Situation.

"Es ist absehbar, dass es Angela Merkel nicht gelingen wird, was sie in den letzten drei Jahren auch nicht geschafft hat: eine gesamteuropäische Lösung in der Asyl- und Flüchtlingsfrage herbeizuführen."
Ulrike Winkelmann, Politikredakteurin Deutschlandfunk

Möglich sei aber, dass Merkel sich stattdessen auf bilaterale Verträge mit Staaten wie Italien konzentrieren wird, so Ulrike Winkelmann. Dass sich die CSU damit aber zufriedengeben werde, schätzt die Beobachterin als unwahrscheinlich ein. So könne es als Teilerfolg für die CSU gewertet werden, dass Merkel sich auf diese Frist eingelassen hat. 

"In jedem Fall muss man sagen, dass sie jetzt klein beigeben musste und indirekt zugestanden hat, dass sie die EU-weite Lösung nicht mehr finden wird."
Ulrike Winkelmann, Politikredakteurin Deutschlandfunk

Der Koalitionspartner SPD hat sich indessen bisher zurückgehalten. Zwar hat sich die SPD in der Sache mehrfach gegen Seehofers Pläne gestellt, weniger deutlich positionierte sich die Partei aber im Unionskonflikt. Und das erst, als es unausweichlich gewesen sei, so Ulrike Winkelmann.

Die Taktik der SPD

So kündigte die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles an, dass die Partei auf einen Koalitionsausschuss bestehe. Ulrike Winkelmann sagt, der Kurs der SPD wirke zwar "etwas eierig", sei aber vernünftig. 

"Wenn der politische Gegner sich zerlegt, dann genießt man typischerweise als Partei eher stillschweigend und signalisiert maximal Souveränität und eine gewisse Herablassung. Und genau das hat die SPD auch getan."
Ulrike Winkelmann, Politikredakteurin Deutschlandfunk
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Denkbar sei sogar, dass die SPD sich selbst gegen eine mögliche Einigung von CDU und CSU stellen könnte, meint Ulrike Winkelmann. Bezogen auf Angela Merkel sieht sie eine ähnliche Lösung wie in Frankreich als wahrscheinlich an.

Der französische Weg

"Es zeichnet sich ab, dass Merkel ungefähr das machen wird, was Macron für Frankreich durchgesetzt hat", so Ulrike Winkelmann. Das bedeutet: Abweisung eines großen Teils der Geflüchteten an den Grenzen und weitere Zahlungen an Italien, Griechenland und andere Aufnahmeländer. Ungeklärt ist indessen, wie die Kanzlerin mit den Ländern an der Balkanroute einig werden könnte. Auch eine Stellungnahme der EU-Kommission steht noch aus:

"Wir wissen noch nicht genau, ob die EU-Kommission eines Tages wieder Politik machen wird. Aktuell hört man gar nichts von denen."
Ulrike Winkelmann, Politikredakteurin Deutschlandfunk

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Shownotes
Asylstreit in der Union
Machtkampf: Warten aufs Finale
vom 18. Juni 2018
Moderatorin: 
Sonja Meschkat
Gesprächsparterin: 
Ulrike Winkelmann, Politikredaktion Deutschlandfunk