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Aufräumen kann bei ihm zu einem größeren Chaos führen: Nicht nur für Dennis ist seine ADHS* eine Herausforderung. Auch seine Beziehungen kann es beeinträchtigen. Ein Paartherapeut und eine psychologische Psychotherapeutin geben Tipps.

Wenn Dennis bei alltäglichen Aufgaben sich extrem auf einen Task fokussiert, kann es passieren, dass er alles anderen aus dem Blick verliert. Zum Beispiel Anrufe von seiner Partnerin oder anderes. Das kann in der Beziehung schon mal zu Stress führen.

"Und am Abend fällt mir dann auf: 'Oh, Kacke, meine Freundin hat mir schon drei-, viermal geschrieben". Und ich war halt mit dem Haushalt beschäftigt."
Dennis, erhielt mit 19 Jahren eine ADHS-Diagnose

Wieso er sich auf eine bestimmte Art verhält, wieso er Dinge auf eine bestimmte Art regelt oder manche Lebensmittel einfach nicht essen kann, das war Dennis selbst lange Zeit nicht klar. Erst mit 19 Jahren erhielt er die Diagnose zu seiner Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung. Erst dadurch wurde ihm vieles klar und er verstand, wieso er so tickt, wie er tickt. Wieso es ihm schwerfällt, Ordnung zu halten oder pünktlich zu sein.

Wenn wir selbst kaum verstehen können, wieso wir bestimmte Dinge auf eine gewisse Art tun

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er sich auch oft selbst infrage gestellt. Inzwischen ist er 28 Jahre alt und die Diagnose erleichterte es ihm, sich mit sich selbst mehr zu versöhnen. Aber für Freunde oder Partnerinnen, deren Gehirne anders funktionieren als das von Dennis, blieb es oft schwierig, einige seine Verhaltensweisen nachzuvollziehen.

"Die Selbstzweifel kommen daher, weil meine ADHS erst – mit 18, 19 Jahren – recht spät festgestellt wurde."
Dennis, seine ADHS kann eine Herausforderung für seine Beziehungen sein

Zum Beispiel, dass er einfach nicht essen mochte, was mit Liebe für ihn gekocht wurde. Für Dennis lag das oft nur an der Konsistenz von Lebensmitteln, die sie für ihn ungenießbar machten, erzählt er. Aber natürlich konnte das die Gefühle seiner Partnerin verletzen.

Wenn man mit der eigenen neurodivergenten Veranlagung gut umgehen kann, kann sich das auch positiv auf die eigene Beziehung auswirken, weiß Dennis aus Erfahrung. Denn er ist spontan, hat viele Ideen für Unternehmungen und ist begeisterungsfähig. Dadurch entstehen viele schöne Momente und gemeinsame Erlebnisse, an die man sich erinnern kann.

"Man ist halt sehr spontan und macht oft Sachen, ohne vorher darüber nachzudenken."
Dennis, erhielt mit 19 Jahren eine ADHS-Diagnose

Arne Wolf ist Paartherapeut und hat sich auf ADHS im Erwachsenenalter spezialisiert. Er sagt, ADHS sei eine neurobiologische Besonderheit, bei der bestimmte Botenstoffsystem im Hirn nicht optimal funktionieren. Konkret bedeutet das, dass für Menschen, die diese Diagnose haben, einfach Aufgabe komplizierter sein können als für andere. Der Psychologe erklärt, dass dabei Noradrenalin und Dopamin Botenstoffe sind, die im Gehirn bestimmte Signale weiterleiten.

Konkret bedeutet das: Durch diese Signale wird unsere Motivation geweckt, eine bestimmte Aufgabe zu erledigen – zum Beispiel ein Geburtstagsgeschenk für einen Freund oder eine Freundin zu besorgen. Fehlt die Motivation, dann ist es erheblich schwieriger, diesen Task abzuhaken.

Wofür andere vielleicht eine Viertelstunde brauchen, kann jemand der neurodivergent ist, Tage benötigen. Weil er oder sie möglicherweise nicht beim ersten Versuch seinen Plan nicht bis zum Ende verfolgt.

"'Wenn ich morgen zu dem Geburtstag gehe, dann wird das bestimmt total schön.' Das spüre ich im hier und jetzt. Und warum spüre ich das? Weil meine Neurotransmitter diese Informationen an die entsprechenden Stellen im Hirn weiterleiten."
Arne Wolf, Psychologe und Paartherapeut

Rosalie Weigand ist psychologische Psychotherapeutin und bietet auch ADHS-Diagnostik an. Sie berät auch Paare, bei denen sich ADHS auf den Beziehungsalltag auswirkt. Aufgrund des verringerten Dopaminspiegels brauchen Menschen mit einer ADHS oft mehr Stimulation. Oft treten die Probleme stärker auf, wenn die erste Verliebtheitsphase abklingt.

"Ordnung ist ein Problem, wenn da beide unterschiedliche Vorstellungen haben."
Rosalie Weigand ist psychologische Psychotherapeutin

Unkonzentriertheit, desorganisiertes Verhalten und Impulsivität der Menschen mit einer ADHS können dann zu Missverständnissen oder Auseinandersetzungen in einer Beziehung führen, weiß die psychologische Psychotherapeutin aus ihrer Erfahrung.

Für eine Beziehung findet es die psychologische Psychotherapeutin wichtig, nicht die Verantwortung nur bei derjenigen Person zu sehen, bei der eine ADHS diagnostiziert wurde. Sie sagt, dass man sich als zwei Personen begegnen sollte, die neuronale Unterschiede haben. Sie sind in der Regel dadurch verschiedener, als wenn sich zwei neurotypische Menschen für eine Partnerschaft entscheiden, sagt Rosalie Weigand.

Umgang mit ADHS in einer Beziehung

Jemand, der eine ADHS-Diagnose erhalten hat, sollte einen potenziellen Partner möglichst früh darüber informieren, sagt die psychologische Psychotherapeutin. Und sie empfiehlt auch, darüber zu sprechen, wie man den gemeinsamen Alltag gestalten kann und welche Bedürfnisse jemand hat, der mit einer ADHS lebt.

Auch der Beziehungspartner sollte Verantwortung übernehmen, sagt die psychologische Psychotherapeutin. Er sollte:

  • sich über ADHS informieren
  • offen und bereit dafür sein, die Verantwortung für das Funktionieren der Beziehung nicht nur bei dem anderen zu sehen, der mit einer ADHS diagnostiziert wurde
  • bereit dafür zu sein, in manchen Bereichen wie Organisation, den Partner zu unterstützen
"Was auch ein großes Problem ist, ist, dass eine Person mit ADHS häufig viele Ablehnungserfahrungen gemacht hat und dadurch stark auf wahrgenommene Kritik reagiert."
Rosalie Weigand, psychologische Psychotherapeutin

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Shownotes
Partnerschaft und Neurodivergenz
ADHS in Beziehungen: Einen gemeinsamen Rhythmus finden
vom 11. Juni 2025
Gesprächspartner: 
Dennis, hat eine ADHS-Diagnose
Gesprächspartner: 
Arne Wolf, Paartherapeut mit Spezialisierung auf ADHS im Erwachsenenalter
Gesprächspartnerin: 
Roaslie Weigand, psychologische Psychotherapeutin, bietet ADHS Diagnostik an in Hamburg und Online
Autorin und Host: 
Shalin Rogall
Redaktion: 
Friederike Seeger, Caro Nieder
Produktion: 
Dorothee Lohse