Am 26. April 1986, explodierte der Reaktorblock 4 im Kernkraftwerk Tschernobyl. 35 Jahre später soll Tschernobyl zum Symbol werden – dafür, dass am Ende das Leben gewinnt. Die Ukraine will Teile der Sperrzone zum Weltkulturerbe machen.

Das Unglück gilt als größte Nuklearkatastrophe der zivilen Nutzung von Atomkraft. Durch den Reaktorunfall und seine Folgen sind tausende Menschen gestorben – mehr als 100.000 mussten ihre Häuser verlassen. Am 35. Jahrestag erinnert die Ukraine an die Opfer der Katastrophe im damals noch sowjetischen Atomkraftwerk. Mehrere Gedenkveranstaltungen sind geplant.

Wegen der Coronavirus-Pandemie finden diese allerdings in kleinem Rahmen und mit besonderen Auflagen statt. Geplant sind unter anderem virtuelle Führungen durch den havarierten Reaktorblock 4. Außerdem sollen Augenzeugen berichten, wie sie die Geschehnisse damals erlebt haben.

Symbol für das Leben

Die ukrainische Regierung möchte am Jahrestag aber nicht nur zurückblicken, sondern auch nach vorne: Nach ihrem Willen soll Tschernobyl zum Symbol dafür werden, dass das Leben am Ende immer gewinnt. Die ukrainischen Behörden bereiten gerade einen Antrag an die Unesco vor, um Teile der Sperrzone von Tschernobyl zum Weltkulturerbe zu erklären.

"Die ukrainische Regierung will nach vorn schauen: Tschernobyl soll zum Symbol dafür werden, dass das Leben immer gewinnt."
Amelie Fröhlich, Deutschlandfunk-Nova-Reporterin

Symbolisch für die Rückkehr des Lebens sind beispielsweise die Bären, Bisons, Wölfe, Luchse und Wildpferde die in die Sperrzone zurückgekehrt sind. Die Strahlung ist auf ein Maß gedrosselt, dass Reiseveranstalter Touren in die Sperrzone von Tschernobyl anbieten können. Inzwischen können sich die Touristen ohne Schutzausrüstung dort aufhalten. Seit 2015 sind die Tourismuszahlen deutlich gestiegen.

"Wir besuchen die Zone in ganz normaler Kleidung. Ohne spezielle Schutzmittel. Wir brauchen weder spezielle Atemschutzgeräte noch einen Chemieschutzanzug."
Anbieter von Reisen nach Tschernobyl

Tourismusboom durch TV-Serie

2019 sind 124.000 Besucherinnen und Besucher nach Tschernobyl gereist. 20 Prozent davon stammen aus der Ukraine selbst, 80 Prozent aus dem Ausland. Die steigende Popularität hängt vor allem mit der Fernsehserie "Tschernobyl" zusammen, die vom 6. Mai bis zum 3. Juni 2019 erstmals zu sehen war.

"Der Tourismusboom in Tschernobyl hat 2019 so richtig an Fahrt aufgenommen – genau in dem Frühjahr war die Serie das erste Mal erschienen."
Amelie Fröhlich, Deutschlandfunk-Nova-Reporterin

Die US-amerikanisch-britische Miniserie des Senders HBO und Sky zeigt in fünf Episoden den Hergang der Katastrophe und die darauffolgenden Vertuschungsversuche der sowjetischen Führung. Seit dem 12. April 2021 ist die Serie, die 2020 mit zwei Golden Globes und zehn Emmys ausgezeichnet wurde, auch im deutschen Free-TV zu sehen. Die Hauptrollen spielen Stellan Skarsgård, Emily Watson und Jared Harris.

Prypjat bald keine Geisterstadt mehr?

Eine der Schüsselszenen ist die Evakuierung der Stadt Prypjat, die 1970 im Zusammenhang mit dem Bau des Kraftwerks gegründet und nach dem Unglück geräumt wurde: 50.000 Menschen mussten damals innerhalb weniger Stunden ihr Zuhause verlassen – 36 Stunden nach der Katastrophe.

Heute ist Prypjat eine Geisterstadt und das Highlight jeder Tschernobyl-Tour. Nach Angaben von Touristikunternehmen droht der Stadt trotzdem der Verfall: Die Stadt habe keinen Schutzstatus, rein juristisch seien das nur radioaktive Abfälle. Mit dem Status "Weltkulturerbe" könnte sich das ändern.

Shownotes
Atomkatastrophe
Tschernobyl soll Weltkulturerbe werden
vom 26. April 2021
Moderation: 
Diane Hielscher
Gesprächspartnerin: 
Amelie Fröhlich, Deutschlandfunk-Nova-Reporterin