Es fing mit normalen Demonstrationen gegen ein geplantes Atomkraftwerk an. Irgendwann ist Dieter Kröger dabei, wenn Autoreifen brennen, die die Polizei daran hindern zu stören. Strommasten fallen, manche werden gesprengt. Ob das auch Kröger war? Die Antwort lächelt er weg.
Brokdorf, nördlich von Hamburg, ein kleiner Ort mit 1000 Einwohnern. Anfang der 70er Jahre wird beschlossen, dort ein Atomkraftwerk zu bauen - das AKW Brokdorf. Dieter Kröger wohnt mit seiner Familie damals nur wenige Kilometer vom Bauzaun entfernt, in der Nachbarstadt Itzehoe. Dort hat er eine eigene Firma für Solarkonstruktionen. Er beschäftigt sich mit erneuerbaren Energien, damals echte Pionierarbeit. Und er hat schon viel über Atomkraft und deren Nutzung zur Energiegewinnung gelesen.
Als die Bauarbeiten in Brokdorf 1976 beginnen, geht Dieter Kröger sofort zur Demo. Die Polizeipräsenz schreckt ihn nicht ab, er lässt keine Demo ausfallen, schließt sich Bürgerinitiativen an.
Rekord-Demo
Die Proteste in Brokdorf werden immer größer. Anfang der 80er Jahre kommen zu einer der Demos über 100.000 Menschen - so viele haben bis dahin noch nie in Deutschland gegen Atomkraft protestiert.
Der Protest verschärft sich. An der Delftorbrücke in Itzehoe kommt es irgendwann zu einer Auseinandersetzung mit der Polizei, bei der die Demonstranten Autoreifen aufstapeln und anzünden. Kröger sagt, das war die schwerste Auseinandersetzung, die er je mitgemacht hat. Und es geht weiter.
In den Jahren danach hat sich die Bewegung verstärkt auf Sabotage konzentriert. In Norddeutschland wurden über 100 Strommasten umgelegt, abgesägt, angesägt, manche auch gesprengt. Ab dann kommt die Polizei auch schon mal ungefragt, manchmal nachts, bei Krögers vorbei um zu prüfen, ob sie da sind - und für den Anschlag also nicht verantwortlich sein können.
Inbetriebnahme kurz nach Tschernobyl
In den 80er Jahren wird Kröger mehrfach in den Krawallsaal von Itzehoe vorgeladen. So nennt man inoffiziell den Raum für die Prozesse gegen die Aktivisten. Fünf Mal sitzt Dieter Kröger hier auf der Anklagebank.
1986 war in Brokdorf Schluss mit den Protesten. Im Dezember begann der kommerzielle Betrieb - nur wenige Monate nach der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl. Trotzdem waren die Proteste, teilweise mit Gewalt, richtig und wirkungsvoll, sagt Kröger: Nach der Inbetriebnahme von Brokdorf wurden nämlich keine neuen Kernkraftwerke begonnen zu bauen (sechs Anlagen waren schon im Bau).
"Man kann sicherlich, was die Welt-Bekämpfung der Umstände angeht, eigentlich gar nicht radikal genug sein. Aber das muss jeder für sich selber entscheiden."
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