Leider ist es banal: Gut aussehende Politikerinnen und Politiker bekommen mehr Stimmen. Ist so. Belegen Studien. Was da genau in uns abläuft, haben sich Forschende näher angesehen.
Forschende der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg wollten herausfinden, wie stark das Aussehen von Politikerinnen und Politikern ihren Erfolg beeinflusst. Bei der letzten Bundestagswahl 2017 haben Kandidatinnen und Kandidaten 3,8 Prozentpunkte mehr bekommen im Vergleich zu jenen, die als nicht attraktiv gelten, sagt Sebastian Jäckle. Er ist Sozialwissenschaftler und Leiter der Forschungsgruppe.
"Wenn wir eine sehr attraktive Person haben, dann kann die bis zu 3,8 Prozentpunkte mehr herausholen."
Aber wie lässt sich Attraktivität überhaupt messen? Sebastian Jäckle erklärt, dass sie zunächst die beiden erfolgreichsten Kandidaten aus einem Wahlkreis genommen haben und den Teilnehmenden der Studie vorgelegt. Die Probanden sollten anhand der Porträtfotos bewerten, welchen Kandidaten oder Kandidatin sie attraktiver finden, für sympathischer halte und wer kompetenter aussieht.
"Es gibt Politiker und Politikerinnen, die von bis zu 100 Prozent aller Probanden für weniger attraktiv oder eben für attraktiv gehalten werden."
Mit dieser Vorgehensweise haben die Forschenden festgestellt, welche Kandidaten von mit bis zu 100 Prozent aller Probanden für attraktiv oder nicht im Vergleich zum Gegenkandidaten gehalten wurden. Diese Ergebnisse haben die Forschenden dann mit den Wahlergebnisse verglichen, um zu sehen, ob sie bei der Wahl mehr oder weniger Chancen hatten.
Aussehen wird in der Politik immer wichtiger
Was ist überhaupt attraktiv? Im Allgemeinen werden Personen, die jung und dynamisch aussehen, als attraktiv wahrgenommen. Frauen mit offenen, langen Haaren werden als attraktiver bewertet als Frauen mit Kurzhaarfrisuren. Auch bei Männern spielen Haare eine Rolle: Männer mit wenig Haaren oder Glatze wurden als durchgehend wenig attraktiv bewertet, sagt Sebastian Jäckle.
Diese Attraktivitätsbewertung hat sich über die letzten Jahre hin verändert. Während bei der Wahl 2013 über das Aussehen zusätzlich zwei Prozentpunkte für Politiker und Politikerinnen heraussprangen, waren es 2017 bereits 3,8 bis maximal vier Prozentpunkte. In den USA dagegen macht das Aussehen sogar 11 bis 12 Prozent aus.
"In den USA ist der Effekt dreimal so hoch als in Deutschland."
Diese Entwicklung der steigenden Prozentpunkte durch das Aussehen passe gut zu einer anderen Entwicklung in der Politik, der Mediatisierung und der Personalisierung der Politik, sagt Sebastian Jäckle. Das Bild in der Öffentlichkeit entscheide über den Erfolg als Politiker oder Politikerin.
"Das Bild, das ein Politiker abgibt, ist letzten Endes wichtiger als das, was er wirklich macht."
Aussehensbasierte Heuristik ist wie eine Abkürzung, die unser Gehirn nimmt, um zu einer einigermaßen plausiblen Einschätzung zu gelangen, sagt der Sozialwissenschaftler. Das bedeutet, wenn wir ein Wahlplakat sehen, wissen wir noch lange nicht, wofür diese Person steht. Unser Gehirn schaltet aber ganz schnell, sagt Sebastian Jäckle. Es verknüpfe die Information des Aussehens mit anderen Eigenschaften, die für die Wahl relevant wären. Unbewusst wählen wir dann eher attraktive Menschen.
Prominenz vor Attraktivität
Bei prominenten Kandidatinnen und Kandidaten, die wir aus den Medien kennen, funktioniere das anders, weil wir deren Aussagen kennen und deshalb die Person aufgrund zusätzlicher Informationen anders einschätzen. Dabei würde das Aussehen eine untergeordnete Rolle spielen, erklärt Sebastian Jäckle.
"Je bekannter eine Person, desto weniger relevant ist das Aussehen."
Bei Donald Trump bestätigt sich dieser Zusammenhang. Der US-Präsident ist so bekannt und präsent in den verschiedensten Medien und bei öffentlichen Auftritten, dass sich die Menschen ein vielfältiges Bild von ihm machen können. Deshalb ist sein Aussehen für die Wahlentscheidung eher weniger relevant, auch wenn es viele Menschen gibt, die sich genau darüber lustig machten.
"Wir müssen uns von dem Gedanken frei machen, dass wir Menschen immer rational entscheiden würden. Wir tun es einfach nicht."
Mit den Heuristiken würden wir zu für uns rationale Wahlentscheidungen kommen, oftmals unterstützt von eingängigen populistischen Sprüchen. Sebastian Jäckle rät, dass wir uns dieser Irrationalität, die wir in uns haben, immer wieder bewusst werden sollten.