Die französische Strahlenschutzbehörde hat einen Verkaufsstopp für das alte iPhone 12 angeordnet, weil es laut Behörde einen Grenzwert für elektromagnetische Strahlung überschreitet. Wir klären, wie wichtig dieser Wert ist und welche Regelungen in Deutschland gelten.
Gerade hat Apple das neue iPhone 15 vorgestellt – besonders viel geredet wird aber über das alte iPhone 12. Und das wird Apple nicht gefallen: Laut der französischen Strahlenschutzbehörde ANFR hat das iPhone 12 nämlich den in Frankreich erlaubten Grenzwert überschritten. Es könnte ein Rückruf aller iPhone12-Geräte drohen. Oder es muss schnellstens ein Update her.
SAR-Wert: Zwei Watt pro Kilo Körpermasse
Unser Deutschlandfunk-Nova-Technikexperte Moritz Metz ist selbst Besitzer eines iPhone 12. Der sogenannte SAR-Wert, die "spezifische Absorptionsrate", sage erstmal wenig über die direkte Gesundheitsgefahr aus, erklärt er. Es ist ein oberer Grenzwert, wie stark ein Handy durch elektromagnetische Strahlung theoretisch unseren Kopf oder Körper erwärmen kann.
"Die erlaubte Grenze sind zwei Watt, die am Kopf auf ein Kilo Körpermasse einstrahlen dürfen. Damit soll gewährleistet sein, dass sich das Gewebe um weniger als 0,1 Grad Celsius erhitzt."
Die erlaubte Grenze sind zwei Watt, die am Kopf auf ein Kilo Körpermasse einstrahlen dürfen. Der SAR-Höchstwert sei ein sehr alter Wert, der "eher willkürlich" festgelegt wurde, sagt Moritz. Seit 1998 wird er von der Internationalen Kommission zum Schutz vor nicht-ionisierender Strahlung (ICNIRP) empfohlen. Die deutsche Strahlenschutzkommission (SSK) und die EU-Kommission zogen 1998 und 1999 mit.
Um die Einhaltung des Grenzwertes zu überprüfen, gibt es zwei EU-Normen: "Telefonieren mit dem Handy am Ohr" und "Betrieb beim Tragen des Handys am Körper": Bis 2016 waren hier Messabstände von bis zu 2,5 cm zugelassen, seit einem Beschluss der EU-Kommission vom April 2016 sind nur noch bis zu 0,5 cm erlaubt.
Strahlungswert wird bei voller Leistung erhoben
Der SAR-Wert eines Gerätes wird bei voller Leistung erhoben, erklärt Moritz. Ein Smartphone sendet allerdings nur äußerst selten mit voller Power, sonst wäre der Akku schnell leer. Ähnlich wie ein Auto, das zwar 220 km/h schnell fahren kann, diese Leistung aber sehr selten erbringt.
"Der SAR-Wert eines Smartphones wird bei voller Leistung erhoben. Das Gerät sendet allerdings nur äußerst selten mit voller Power. Insofern sagt der Wert nicht allzuviel über die Gesundheitsgefährdung aus – die ohnehin nicht abschließend geklärt ist."
Die Aussagen über die Gesundheitsgefährdung müsse man insofern realtivieren, meint Moritz. Auch weil diese nicht abschließend geklärt sei. Es gebe keinen wissenschaftlichen Nachweis, dass ein Grenzwert zu niedrig oder zu hoch oder dass Handystrahlung in dieser Stärke tatsächlich ungesund sei. Auch weil die Krebsarten, die diese Strahlung womöglich auslösen könnte, teilweise erst nach langer Zeit entstehen.
Bundesamt für Strahlenschutz warnt nicht
Müssen sich deutsche Besitzer*innen des iPhone 12 jetzt Sorgen machen? Gunde Ziegelberger, Co-Leiterin des Kompetenzzentrums Elektromagnetische Felder beim Bundesamt für Strahlenschutz, beruhigt: Die französischen Behörden hätten offenbar nicht nur nach den üblichen EU-Normen – also am Kopf und am Rumpf – gemessen, sondern darüber hinaus auch noch einen dritten Wert herangezogen: Den DAS (débit d’absorption spécifique) membres. Dabei geht es um die Belastung an Armen und Beinen, wenn man das Handy in der Hand hält oder in der Hostentasche trägt.
In Frankreich ist hier ein Grenzwert von 4 Watt pro Kilogramm erlaubt – und dieser wurde nach den Messungen der Strahlenschutzbehörde ANFR mit 5,74 Watt pro Kilogramm überschritten. Bei 141 Geräten war das nur beim iPhone 12 der Fall. Weitere Daten der Messungen sind nicht verfügbar, berichtet Moritz Metz.
Die bisher veröffentlichten Messdaten in der offen zugänglichen Datenbank des ANFR sehen beim iPhone 12 ganz normal aus, ebenso wie in der SAR Datenbank des BfS. Bei anderen Messungen der Zeitschrift Connect wurde das Telefon sogar mit "gut" bewertet.
Auch Apple selbst wiegelt ab: Das iPhone 12 sei von eigenen und unabhängigen Laboren als konform gemessen worden – man werde nun mit der französischen Behörde zusammenarbeiten, um die Konformität nachzuweisen. Auch das Bundesamt für Strahlungsschutz will sich jetzt genauer mit den Französischen Kolleg*innen austauschen und den Sachverhalt prüfen.
Antennen: Unterschiedliche Bauweise und Position
Dass sich die Strahlenwerte verschiedener Smartphones unterscheiden, hat damit zu tun, wie die Antennen im Gerät konstruiert sind, erklärt Moritz Metz:
- Welche Sende-Elektronik wird verwendet?
- Wo liegen die Antennen? Hinten, unten oder auch an der Seite wie beim iPhone 12?
- Wie sind sie zum Kopf hin abgeschirmt?
Wenn die Antenne unten liegt, ist der Abstand zum Kopf, an dem der SAR-Wert gemessen wird, relativ groß, gerade bei großen Handys.
Aber natürlich ist das alles – wie immer – kompliziert, verdeutlicht Moritz. Denn zum Beispiel könne es sein, dass ein Handy mit schlechten Antennen mit mehr Power senden muss, um eine gute Verbindung herzustellen, als eines mit guten Antennen, das dann aber auf dem Papier einen höheren SAR-Wert hat.