Autos, die ohne Menschen hinter dem Steuer fahren – klingt eher nach Silicon Valley als nach Hamburg. Aber genau dort laufen gerade Tests mit selbstständig fahrenden Sammeltaxis. Schon bald sollen sie auch regulär eingesetzt werden.
In Hamburg sind bald Sammeltaxis unterwegs, die auf den ersten Blick aussehen wie gewöhnliche Mini-Vans. Wer genauer hinschaut, der oder dem wird allerdings auffallen: Hinterm Steuer sitzt niemand. Das Auto fährt ohne Fahrer*in, also autonom.
Robotaxis der Volkswagen-Tocherfirma Moia
Aktuell testet Hamburg Robotaxis der Volkswagen-Tocherfirma Moia. Momentan sind die ersten Fahrzeuge dieser Art noch mit Sicherheitsfahrer*in unterwegs. Das heißt: Das Auto fährt zwar erst mal selbstständig, kommt es aber zu einer Notfallsituation, soll die Person hinter dem Steuer eingreifen. Bis die Autos ab 2027 dann komplett autonom fahren (sollen), lernt die Software dazu und wird mit den Erkenntnissen aus den Testfahrten gefüttert.
Denn: Wenn die Sicherheitsfahrer*innen sich dazu entscheiden, in einer bestimmten Situation das Auto doch zu steuern, müssen sie im Anschluss per Sprachmemo beschreiben, wie die Situation war und warum sie eingegriffen haben. Ingenieur*innen schauen sich diese Fahrsituation im Nachhinein dann noch mal genauer an.
Von den Erkenntnissen sollen auch Testfahrzeuge in anderen Städten profitieren, sagt Moia-Ingenieur Lars Gehrke. Er ist für die Testfahrten verantwortlich. In Norwegens Hauptstadt Oslo und im US-Bundesstaat Texas werden die autonomen Fahrzeuge des Unternehmens ebenfalls getestet.
Plan: Komplett autonom bis 2027
Wie oft die Sicherheitsfahrer*innen gerade noch eingreifen, lässt das Tech-Unternehmen offen. Moia-Chef Sascha Meyer hat bei der Testfahrt aber keine Bedenken. "Wir sind alle vollkommen tiefenentspannt, weil wir natürlich schon viele autonome Fahrten durchgeführt haben und wissen, dass uns das System sicher durch die Stadt führen wird. Wenn man das mal zehn bis 15 Minuten erlebt hat, merken wir meistens, dass die Menschen ihr Telefon rausholen und anfangen, E-Mails zu machen", sagt er.
Magdalena Neubig berichtet für Deutschlandfunk Nova aus Hamburg und ist bei der Testfahrt auch dabei. Sie findet: Im Grunde ist die Fahrt ziemlich unspektakulär. Das Auto beschleunigt, bremst und biegt ab wie jedes andere Auto auch.
"Wir erkennen häufig, dass ein Fahrzeug die Spur wechseln will, obwohl es überhaupt keinen Blinker angeschaltet hat."
Damit es selbstständig fahren kann, sind in dem Robotaxi aufwendige Computertechnik und Sensoren verbaut. Drei Sensorentypen – Kameras, Laserscanner und Radare – sammeln während der Fahrt ununterbrochen Daten, die in Echtzeit verarbeitet werden.
Daten in Echtzeit: Kameras, Laserscanner, Radar
"Wir bilden 360 Grad um das Fahrzeug ab, im sogenannten Nahfeldbereich. Also beispielsweise für Passanten, die über die Straße laufen", erklärt Ingenieur Lars Gehrke. Mit den Sensoren könne das Auto auch 250 Meter in alle Richtungen schauen. So soll es auch von weiter weg erkennen, ob eine Ampel zum Beispiel rot, grün oder gelb ist.
Die Software weiß aber noch mehr als das, so der Geschäftsfrüher. Wenn ein anderes Auto die Spur wechseln will, würde das autonome Fahrzeug das häufig erkennen – auch wenn die Person im anderen Auto noch keinen Blinker zum Abbiegen gesetzt hat. "Weil der Mensch schon mal dazu tendiert, ein bisschen nach rechts zu lenken, bevor er eben den Blinker betätigt", sagt Sascha Meyer.
Autonome Taxis als ÖPNV-Ersatz?
Ab Mitte des Jahres sollen ausgewählte Testgruppen mit den autonomen Sammeltaxis fahren, bevor es dann ab 2027 in den regulären Betrieb geht. In Hamburg sollen die Robotaxis die Randbezirke besser an das ÖPNV-Netz der Stadt andocken.
Professor Johannes Weyer von der TU Dortmund hat dazu in Hamburg eine Studie durchgeführt und sieht in den autonomen Sammeltaxis eine große Chance. Sie könnten überall dort zum Einsatz kommen, wo der öffentliche Nahverkehr schlecht ausgebaut ist, sagt er – neben Randbezirken von Städten auch in ländlichen Regionen. Laut seiner Untersuchung würde etwa jede siebte Person später einmal damit fahren wollen.
"Wir sehen ein riesiges Potenzial in den Vorstädten der größeren Städte, aber auch im ländlichen Raum, wo das Angebot des öffentlichen Verkehrs völlig unzureichend ist."
Autonomes Fahren und Unfälle
Der Vorteil der Selbstfahr-Autos: Im Gegensatz zum Menschen können sie nicht müde oder unkonzentriert werden beim Fahren. Die Autos halten sich auch streng an die Verkehrsregeln.
Was die Zahl der Unfälle angeht, sind Forschende in den USA im vergangenen Jahr zur Erkenntnis gekommen, dass autonome Fahrzeuge in vielen Situationen weniger Unfälle bauen als menschliche Fahrer*innen. Es gibt aber durchaus Ausnahmen: Demnach seien selbstfahrende Autos zwar zum Beispiel gut darin, Auffahrunfälle zu vermeiden. Bei Abbiege-Vorgängen und Fahrten in der Dämmerung verdoppelte beziehungsweise verfünffachte sich laut der Studie allerdings das Unfallrisiko im Vergleich zu menschlichen Fahrer*innen. Die Erkenntnisse sollen helfen, die autonomen Autos zu verbessern.
Johannes Weyer von der TU Dortmund sieht den Trend hin zum autonomen Fahren auch in Deutschland. Er geht davon aus, dass sich der Straßenverkehr schon in den nächsten drei bis fünf Jahren stark verändern wird.