"Follow your passion" - So wimmelt es von Ratschlägen auf Sozialen Netzwerken oder in Vorträgen von erfolgreichen Menschen. Doch viele Expertinnen und Experten raten eher davon ab, die Berufswahl von der eigenen Leidenschaft abhängig zu machen.
Wer ein Hobby oder eine Leidenschaft hat, für die oder den stellt sich die Frage nach der Berufswahl nicht - oder? Viele Karriereberaterinnen und -berater sehen das anders. Denn wer nur nach Leidenschaft geht, vergisst oft, dass es auch noch auf andere Faktoren als die Tätigkeit an sich ankommt, ob unser Beruf auch wirklich zu uns passt.
"Wissen und Kompetenzen, die an informellen Orten, also nicht in der Schule, Uni oder Ausbildung erworben wurden, werden immer wichtiger. Aber sie sollten nicht die einzigen Kriterien sein."
Auf strukturelle Arbeitsbedingungen der Branchen achten
Anstatt nur nach Leidenschaft zu gehen, rät Till Kammerer, sich auch Gedanken um strukturelle Wünsche zu machen und die Augen nach Branchen offenzuhalten, in denen sie erfüllt werden könnten.
Dazu zählen etwa Kriterien wie Voll- und Teilzeit, Selbstständigkeit, Angestelltenverhältnis oder flexible oder feste Arbeitszeiten. Außerdem könne es auch wichtig sein, die eigenen Werte abzufragen und zu schauen, welche Branche oder Position ihnen nicht entgegensteht.
"An meiner Fassade steht gerade ein Gerüst, da könnte ich schon zwei Gewerbe befragen: einmal die Gerüstbauer und einmal die Malerinnen und Lackierer."
Um die Entscheidung also auch auf solche Faktoren stützen zu können, ist es wichtig, genug Informationen über die verschiedenen Berufsauswahlmöglichkeiten zu haben. Till Kammerer rät deshalb: Sprechen, sprechen, sprechen!
Also mit Menschen in Kontakt treten, die bereits in einem der Berufe arbeiten, aber auch die Augen immer nach Gelegenheiten für einen Informationsaustausch offen halten. Der Karriereberater hält es auch für sinnvoll, sich schon im Vorfeld ausführlich mit den verschiedenen Möglichkeiten auseinanderzusetzen.
In Berufe schon einmal reinschnuppern
Das bedeutet: Vorab schon einmal Praktika machen, das Vorlesungsverzeichnis nach den Inhalten durchsuchen, sich schon mal in ein paar Vorlesungen reinsetzen oder auch ein Freiwilliges Soziales oder Ökologisches Jahr zu absolvieren. Je mehr Informationen über den realen Alltag der Berufe, desto besser, meint der Experte.
"Nicht nur Leidenschaft, sondern auch die Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt im Blick behalten."
Der Karriereberater sagt außerdem: Ein Hobby oder eine Leidenschaft haben und damit auch schon einige seiner Stärken kennen, ist zwar eine gute Orientierung. Trotzdem könnten auch etwa Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt eine Rolle spielen - und zwar sowohl auf dem lokalen als auch auf dem bundesweiten oder internationalen Arbeitsmarkt.
Am Ende ist die Leidenschaft eben ein Faktor von ganz vielen, meint der Experte. Vor allem auch die Faktoren, die das Arbeitsumfeld formen, sollten aber auch Beachtung finden, denn dabei spielt die Leidenschaft eine weniger große Rolle.