Wenn wir die Folgen unseres Handelns kennen, fällt es uns schwer, uneigennützig zu handeln. Deshalb zieht mehr als ein Drittel der Befragten in einer Studie es vor, lieber nichts darüber wissen zu wollen, um sorglos egoistisch handeln zu können.

Stellt euch vor, ihr könnt entweder fünf oder sechs Euro bekommen. Nehmt ihr nur die fünf Euro, bekommt eine andere Person genau so viel. Nehmt ihr die sechs Euro, bekommt die andere Person nur einen Euro.

Rund drei Viertel der Versuchspersonen einer Studie aus dem Jahr 2007, die genau darüber informiert waren, was es für die andere Person bedeutet, wenn sie mehr oder weniger Geld nehmen, haben sich für den niedrigeren Betrag entschieden.

Wissen macht kooperativer - Nichtwissen dagegen egoistischer

Eine zweite Gruppe durfte selbst entscheiden, ob sie darüber informiert sein will, wie sich ihre Entscheidung auf die andere Person auswirkt. Innerhalb dieser Gruppe haben sich 44 Prozent dafür entschieden, lieber nichts über die Folgen zu wissen und sich zu ihren Gunsten zu entscheiden.

Die Schlussfolgerung daraus: Wenn die Menschen wissen, welche Folgen ihre Entscheidung hat, sind sie kooperativer, wenn sie das nicht wissen, sind sie egoistischer, erklärt Neurowissenschaftler Henning Beck.

"Viele Menschen sagen: Okay, ob ich jetzt fünf Euro oder sechs Euro nehme, was mit den anderen passiert, ist mir eigentlich egal. Ich möchte mich nur um meine eigene Sache kümmern, das ist mir wichtig."
Henning Beck, Neurowissenschaftler

Forschende von der Uni Amsterdam in den Niederlanden haben diese Untersuchung zum Anlass genommen und sind mit einer Metastudie den Fragen nachgegangen, wie weit verbreitet und wie schädlich vorsätzliche Ignoranz ist und warum die Menschen sich darauf einlassen.

Seit der ersten Untersuchung 2007 ist das Experiment mehrfach in verschiedenen Varianten in unterschiedlichen Ländern wiederholt worden. In ihre Metastudie haben die Forschenden 22 Studien einbezogen. Die meisten davon sind aus Deutschland und den USA, also eher individualistische Gesellschaften, in denen insgesamt 6.531 Teilnehmende mehr als 33.000 informierte oder nicht informierte Entscheidungen treffen sollten.

Das Ergebnis der Metastudie:

  • 39,8 Prozent der Versuchspersonen vermeiden Informationen zu den Konsequenzen ihres Handelns
  • diese Personen verhalten sie egoistischer
  • Personen, die sich bewusst für Informationen über ihr Handeln entscheiden, handeln altruistischer
  • die Wahrscheinlichkeit, die altruistische Option zu wählen, lag bei den Teilnehmenden, die bewusst nach Informationen fragen, um sieben Prozentpunkte höher als bei den ungefragt Informierten
Shownotes
Verhalten
Bewusste Ignoranz: Mit Unwissenheit bequem egoistisch sein
vom 28. Oktober 2023
Moderation: 
Rahel Klein
Gesprächspartner: 
Henning Beck, Neurowissenschaftler