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Im Juli 1955 definiert die SED, welche Personen an Schulen und Universitäten das "richtige" Geschichtsbild – nämlich das von "Klassenkämpfen" – vermitteln dürfen. Den Imperialismus sollen sie hassen und dem Arbeiter- und Bauernstaat treu ergeben sein.

Wer die Deutungshoheit über die Vergangenheit gewonnen hat, hat auch die Deutungshoheit über die Gegenwart. Nach diesem Motto verfährt die Führung der DDR-Einheitspartei SED Anfang der 1950er-Jahre. Die Probleme in der Deutschen Demokratischen Republik sind immer größer geworden – die Unzufriedenheit der Menschen ebenfalls.

Am 17. Juni 1953 hatte sich der Zorn in einem Aufstand entladen, bei dem Arbeiter und Bauern Presse- und Reisefreiheit ebenso forderten wie den Rücktritt der Regierung und die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten. Der Aufstand wurde von der Roten Armee der Sowjetunion niedergeschlagen, mindestens 55 Menschen wurden dabei getötet oder zum Tode verurteilt, 15.000 Bürgerinnen und Bürger der DDR wurden inhaftiert.

"Es gab jede Menge Druck aus Moskau während des Aufstands: Die DDR-Führung habe das Volk nicht im Griff. Das hatte die Konsequenz, dass der Parteiapparat aufgeräumt wurde."
Dr. Matthias von Hellfeld, Deutschlandfunk-Nova-Geschichtsexperte

Ganz offensichtlich lehnen viele Menschen in der DDR den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaftsordnung ab. Viele von ihnen flüchten in den Westen.

Das "richtige" Geschichtsbild

Die SED-Führung will mit einer entsprechenden Bildungspolitik gegensteuern und verabschiedet im Juli 1955 den Beschluss zur "Verbesserung der Forschung und Lehre in der Geschichtswissenschaft der Deutschen Demokratischen Republik", in dem definiert wird, wer in Zukunft an Schulen und Universitäten das "richtige" Geschichtsbild vermitteln soll.

Demnach sollten jene zu Geschichtswissenschaftlern ausgebildet werden, die "vom Hass gegen Imperialismus und Militarismus erfüllt, der Arbeiterklasse und unserem Arbeiter- und Bauernstaat treu ergeben sind und über ein tiefes marxistisches Wissen und ausgezeichnete Fachkenntnisse verfügen". Damit sollte gegen die "Verfälschungen" der deutschen Geschichte durch die "imperialistischen Kräfte in Westdeutschland und rechte sozialdemokratische Führer" angegangen werden. Stattdessen sollte die Geschichte als Geschichte von "Klassenkämpfen" erklärt werden.

Geschichte von "Klassenkämpfen" – derzeit auch in den USA

Derartige Umdeutungen finden derzeit auch in den USA statt. Dort versucht die Trump-Administration nicht nur, den Golf von Mexiko zum Golf von Amerika zu machen, sondern lässt auch Bibliotheken säubern und Bücher entfernen, die die Geschichte der nordamerikanischen Kolonisten gegenüber der indigenen Bevölkerung kritisch betrachten.

Ihr hört in Eine Stunde History:

  • Der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk erläutert die wesentlichen Gründe, die zum SED-Geschichtsbeschluss im Sommer 1955 führten.
  • Der Historiker Dierk Hoffmann beschreibt, was sich hinter der Ideologie des Marxismus/Leninismus verbarg.
  • Der Historiker Jörg Baberowski beschäftigt sich mit der Wirkung von Geschichtsdeutungen in der aktuellen Politik.
  • Der Deutschlandfunk-Nova-Geschichtsexperte Matthias von Hellfeld schildert die Situation der DDR Mitte der 1950er-Jahre.
  • Die Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Grit Eggerichs befasst sich mit dem SED-Geschichtsbeschluss und seinem Inhalt.

Info: Unser Bild zeigt die Feierlichkeiten für die Schulabgänger*innen einer Grundschule in Dresden Anfang der 1950er-Jahre.

Shownotes
Bildungspolitik der DDR
Der SED-Geschichtsbeschluss von 1955
vom 04. Juli 2025
Moderation: 
Steffi Orbach
Gesprächspartner: 
Dr. Matthias von Hellfeld, Deutschlandfunk-Nova-Geschichtsexperte
  • Ilko Sascha Kowalczuk
  • Dierk Hoffmann
  • Jörg Barberowski