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Seit Wochen steht Facebook in der Kritik, weil das Unternehmen nicht entschieden genug gegen Hasskommentare vorgeht. Ein Anwalt hat jetzt Strafanzeige wegen Beihilfe zur Volksverhetzung gestellt. Die Bildzeitung hat unterdessen Kommentare von Facebook-Hetzern mit vollem Namen veröffentlicht...

Der Würzburger Rechtsanwalt Chan-jo Jun hat gegen Facebook Strafanzeige wegen Beihilfe zur Volksverhetzung erstattet. Die Kanzlei hatte Facebook 61 Fälle von rechtswidrigen Posts gemeldet. Davon wurden zwar bis zum 2. Oktober zwar 27 Inhalte gelöscht - 37 blieben aber weiter online - mit der Begründung, dass sie nicht gegen die Gemeinschaftsrichtlinien verstießen. Spiegel Online schreibt, in den Kommentar hieß es unter anderem: "Gebt den Sicherheitskräften endlich Schusswaffen und knallt diese Pseudo-Flüchtlinge ab." Oder "Das ganze Pack ins Arbeitslager".

"Chan-jo Jun sagt, Facebook zeige keinen Willen, an seiner nicht funktionierenden Praxis im Umgang mit Hass-Botschaften etwas zu ändern."
Martina Schulte, DRadio Wissen

Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat nun ein förmliches Ermittlungsverfahren gegen die drei Geschäftsführer der Facebook Germany GmbH eröffnet, schreibt der Anwalt auf seiner Webseite. Damit hat die Staatsanwaltschaft schon genau das gemacht, was die Bild-Zeitung (20.10.2015) in großen Lettern fordert.

Der "Pranger der Schande"

Das Blatt hat die Kommentare von Facebook-Hetzern mit vollem Namen veröffentlicht und daneben geschrieben: "Wir stellen die Hetzer an den Pranger! Herr Staatsanwalt, übernehmen Sie!" Neben die Kommentare hat die Zeitung dann auch gleich noch die Profil-Fotos der Autoren gestellt, die das (wohl) geschrieben haben. Die Bild versuche gerade mit allen Mitteln, sich in den gesellschaftlichen Mainstream zu drehen, meint unsere Netzautorin Martina Schulte. Und der sei ja – noch – flüchtlingsfreundlich.

"Erst hat die Bild mit den unterbewussten Ängsten vor Asylbewerbern Schlagzeilen gemacht. Jetzt stellt sie sich an die Spitze der Ankläger. Das finde ich absolut scheinheilig."
Martina Schulte

Die "Bild" hatte sich bei der letzten Pegida-Demo auch auf die Jagd nach dem Galgen-Mann gemacht und ihn groß und unverpixelt in der Bundesausgabe präsentiert. Die Fotos wurden heimlich aufgenommen. Doch – so schreibt der Bildblog – auch "besorgte Flachzangen" haben Grundrechte.

Presserechtlich ist das Vorgehen bedenklich

In Paragraf 201a STGB heißt es etwa: "Die ungenehmigte Veröffentlichung von Fotos, die den Abgebildeten in seinem Privatbereich zeigen, verletzt grundsätzlich dessen Persönlichkeitsrecht." Tim Hoesmann, Anwalt für Medienrecht aus Berlin, bestätigt das. Man müsse sich die Frage stellen, wie weit ein berichtenswertes Interesse über eine Einzelperson gehe. Ein kleiner Kommentar in einem Forum bekomme plötzlich eine sehr hohe Relevanz.

"Es gibt ein Recht auf Anonymität. Die Abgebildeten könnten darüber nachdenken, die Bild-Zeitung zu verklagen."
Tim Hoesmann, Anwalt für Medienrecht

Neben dem Persönlichkeitsrecht sei auch noch das Urheberrecht – für die abgedruckten Bilder – zu beachten. Und das sei auf jeden Fall verletzt worden: Die Zeitung habe nicht das Recht, die Benutzer-Bilder aus den sozialen Medien zu kopieren und zu veröffentlichen.

"Ich könnte Ihnen einen Account anlegen und in Ihrem Namen etwas Böses posten – und Sie könnten nichts dagegen tun."
Tim Hoesmann über die Gefahr von außerhalb von Social Media veröffentlichten Postings
Shownotes
Bildzeitung
Auch Rechte haben Rechte
vom 20. Oktober 2015
Gesprächspartner: 
Tim Hoesmann, Anwalt für Medienrecht
Moderation: 
Marlis Schaum