Fleisch ist billig in Deutschland, das weiß jeder. Aber ein Discounter-Angebot von 1,99 Euro für 600 Gramm Nackensteak musste Dominik Boisen vor lauter Wut dann doch bei Facebook kommentieren. Und das Netz fängt an zu kochen und zu diskutieren. Gut so!

Wer seinen Sommer hierzulande größtenteils auf Hinterhof-Balkonen oder in Parks verbringt, der weiß, was der Grill dem Deutschen bedeutet. Fast zu jeder Tageszeit, legt jemand irgendwo in Deutschland ein Steak, Kotelett oder Würstchen auf den Grillrost – so scheint es zumindest.

Dominik Boisen versteht die Welt nicht mehr

Und Nachschub ist in der Regel auch sehr billig zu bekommen. Ein ganz besonderes Billig-Fleisch-Angebot gab es vor einigen Wochen bei Aldi Süd. 1,99 Euro für 600 Gramm Nackensteak in Barbecue-Marinade. Das ging Dominik Boisen zu weit: Er kann nicht verstehen, warum ein Schweinenackensteak billiger sein muss als eine Dose Hundefutter.

“Bei einer Radiowerbung hab ich gedacht, das kann nicht sein: Ne Dose Hundefutter, 400 Gramm, kostet 2,40 Euro, und hier dann 600 Gramm Nackensteak für 1,99 Euro. Das stimmt nicht, da ist irgendwas aus den Fugen geraten.“
Dominik Boisen

Dominik Boisen ist 36 Jahre alt, lebt in der Nähe von München und hat mit dem Thema Tierschutz eigentlich nichts zu tun, sagt er uns. Er isst auch selbst ab und zu mal Fleisch, und ist laut seines Posts bei Facebook kein ideologisch verblendeter Ökofaschist. Aber er kritisiert vor allem die fehlende Wertschätzung den Tieren gegenüber, also denen, die sich am wenigsten gegen ihre Haltungsbedingungen wehren können.

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Kundenfang auf dem Rücken der Tiere

Neu sind solche extrem billigen Angebote nicht. Die Discounter-Konkurrenz von Lidl lockt potentielle Kunden an seinem "Supersamstag" schon länger mit Sonderangeboten in die Filialen. Die als loss leader bezeichnete Strategie soll die Kunden dazu bewegen, auch Produkte mit einer höheren Gewinnspanne zu kaufen.

Neu ist aber, dass Aldi sich davon beeindruckt zeigt, und seine Dauerniedrigpreis-Politik jetzt auch um sehr günstige Sonderangebote erweitert, meint Thomas Roeb, Professor für Handels-Betriebslehre an der Hochschule Bonn Rhein-Sieg.

Bauern zahlen beim Verkauf der Tiere oft drauf

Schweinezüchter können bei solchen Kampfpreisen nur schwer überleben - das gilt zumindest für kleinere, mittelständische Betriebe. Das ZDF hat das Ganze vor Kurzem mal durchgerechnet: Ein Züchter bezahlt für die Ferkel-Aufzucht rund 60 Euro. Dazu kommen 63 Euro für das Futter, plus Fixkosten für Strom, Stall oder Versicherungen.

Im Schnitt kommen so 149 Euro zusammen, die der Züchter bis zur Schlachtung in ein Schwein investiert. Je nachdem, wie hoch die Fleischpreise sind, bekommt der Züchter aber nur ein paar Euro mehr am Ende raus - oder er zahlt sogar drauf. 

Immer größere Betriebe, immer billigeres Fleisch

Seit 2010 haben 26 Prozent der Schweinezucht-Betriebe in Deutschland dicht gemacht. Übrig geblieben sind vor allem die großen Züchter. Bei denen sieht die Rechnung etwas anders aus: Sie können billiger produzieren, eben weil sie so groß sind.

"Ich behaupte, dass viele Leute das Thema Tierwohl, Artgerechtheit wirklich definitiv nicht interessiert. So lange das Schnitzel auf dem Teller schmeckt, ist es dann egal, wie das Tier gelebt hat."
Thomas Jungbluth, Professor am Institut für Agrartechnik

Schuld an den zu niedrigen Preisen für Fleischprodukte sind aber vor allem wir Konsumenten. Denn viele von uns kaufen zum Leidwesen kleinerer Bauern und der meisten Tiere ihr Fleisch so billig es nur irgendwie geht. Und diese Nachfrage wird von Aldi, Lidl und Co. einfach gnadenlos bedient.

Shownotes
Billigfleisch
Steak verkommt zur Ramschware
vom 29. Mai 2017
Moderator: 
Thilo Jahn
Autor: 
Johannes Döbbelt, Deutschlandfunk Nova