Jede Familie ist ein kleines Biotop – sogar in Kalifornien. Wie die Ökologie diesen kleinen Lebensraum gehörig durcheinander bringen kann, erzählt "Blue Skies" von T. C. Boyle.

So ein Garten mit Pool ist doch ein guter Ort für eine klitzekleine Hochzeitsgesellschaft. Eine Band spielt Beschwingtes für jeden Geschmack, nicht zu laut und nicht zu leise. Servicekräfte bringen Häppchen und Getränke zu den feiernden Gästen – und dreckiges Geschirr irgendwohin zurück.

In der Küche wird unter dem harten Regiment einer übel gelaunten Köchin, ein feines Gericht nach dem anderen zubereitet: Teigtaschen mit Thunfischtatar, Muschel-und-Gemüse-Spießchen, Datteln im Speckmantel und Samosas in Tamarindensauße zum Beispiel. Cooper langweilt sich. Es ist das Haus seiner Eltern, in dem die Köstlichkeiten zubereitet werden. Es ist das Kleinod seiner Mutter. Und es ist seine Schwester Cat, die soeben zur Ehefrau erklärt worden ist.

Cooper könnte sich für Cat und ihren Mann Todd freuen. Er ist aber frustriert, genervt und voller Selbstmitleid. Cats und Todds Hochzeit wurde zweimal verschoben. Einmal, weil Todds Mutter gestorben war, und einmal wegen Cooper. Oder vielmehr wegen der Zecke, die sich in Cooper festgebissen und ihn den rechen Unterarm gekostet hatte. Und hier steht er nun, muss überlegen, ob er ein Champagnerglas oder einen Teller hält, auf dem noch viel zu viele Teile von toten Tieren lagen. Überhaupt, so eine Hochzeit verbrauchte unnötig rare Ressourcen.

Die Natur des Biologen

Und das alles unter einem kalifornischen Himmel, an dem seit Monaten keine einzige Wolke hängt. Es ist heiß. Cooper kann das weder genießen noch ignorieren. Das ganze Leben des Biologen dreht sich um Motten, Bienen und Schmetterlinge. In der Schule hatte er den Spitznamen Käferjunge ­– und ist ihn nicht wieder losgeworden. Die Polkappen schmelzen ab, die Meeresspiegel steigen unaufhörlich, ganze Tierarten verschwinden von der Erde. Und er feiert hier eine Hochzeit. Am liebsten würde Cooper sich in Luft auflösen. Dann kommt das Feuer.

"Blue Skies" heißt der neue Roman von Tom Coraghessan Boyle, bekannt als T. C. Boyle. Boyle erzählt – nicht zum ersten Mal – eine Geschichte von der Natur, die durcheinandergerät oder schlicht kaputt geht, weil sich zu viele Menschen einen Dreck um sie scheren. Eine Geschichte von Dürren und Bränden, von Hurrikans und Überschwemmungen, von Insekten-Plagen und Insekten-Sterben, von Straßen, auf denen plötzlich Welse wandern, von Bienen, die tot vom Himmel fallen.

Kommt eine Schlange geflogen

Eine Geschichte von Menschen, die im Flugzeug Schlangen in Pappschachteln von einem Ende der USA ans andere fliegen, um sie dort an Menschen wie Cat zu verkaufen. Die sie dann in viel zu kleinen Terrarien halten, und sie sich auf die Schultern legen, um als Influencer bei ihren Followern Eindruck zu schinden.

Und es ist eine Geschichte von einer Familie, die daran zu zerbrechen droht. Denn Cat findet es nicht problematisch, sich so eine Schlange zu kaufen. Cooper hingegen wünscht sich radikalere Veränderungen im Naturschutz und ein Umdenken.

Das Buch:
"Blue Skies" von T. Coraghessan Boyle, aus dem Englischen übersetzt von Dirk von Gunsteren, Hanser, 397 Seiten, Hardcover: 28,- Euro, E-Book: 20,99,- Euro.

Der Autor:

T. Coraghessan Boyle, 1948 in Peekskill, N.Y., geboren, ist der Autor zahlreicher Romane und Erzählungen, die in viele Sprachen übersetzt wurden. Bis 2012 lehrte er Creative Writing an der University of Southern California in Los Angeles.

Bei Hanser erschienen zuletzt: "Das wilde Kind" (2010), "Wenn das Schlachten vorbei ist" (2012), "San Miguel" (2013), "Hart auf hart" (2015), "Die Terranauten" (2017), "Good Home" (2018), "Das Licht" (2019), "Sind wir nicht Menschen" (2020) sowie "Sprich mit mir" (2021).

Shownotes
Das perfekte Buch für den Moment …
… wenn du einen Platz im Schatten ergattert hast
vom 28. Mai 2023
Autorin: 
Lydia Herms, Deutschlandfunk-Nova-Buchkritikerin