Hier ist der Speaker der Chef – jedenfalls ein bisschen. Klatschen ist im Plenum nicht erlaubt, Brüllen hingegen schon: Das sind die Spielregeln im britischen Unterhaus.

Jedes Parlament hat seine eigenen Regeln. Wegen der Brexit-Abstimmung am 15.01.2019 steht gerade das britische Unterhaus unter besonderer Beobachtung. Dlf-Nova-Reporter Johannes Döbbelt hat mit der Abgeordneten Wera Hobhouse über die Besonderheiten dieser Parlamentskammer gesprochen. Einige grundsätzliche Eigenschaften des Unterhauses sind:

  • der Speaker leitet und ordnet die Debatte
  • Klatschen ist verboten
  • die Lautstärke ist dennoch extrem
  • zunächst wird durch Aye- und No-Rufe mündlich abgestimmt (Voice vote)
  • danach verkündet der Speaker das Ergebnis. Falls Zweifel angemeldet werden, verteilen sich die Lager in zwei Gängen (Division)

Die Debatten laufen grundsätzlich über den Speaker, berichtet unser Reporter. Der Speaker ist vergleichbar mit dem Bundestagspräsidenten. Er leitet und ordnet die Sitzungen des Parlaments. Nur er darf während der Debatte direkt von den Abgeordneten angesprochen werden. Die anderen Abgeordneten sprechen sich in ihren Diskussionsbeiträgen untereinander in der dritten Person und mit bestimmten Höflichkeitsformen an – zum Beispiel The honourable gentleman oder Honourable Member of.

Ein Detail aus der Garderobe des britischen Unterhauses hebt unser Reporter Johannes Döbbelt besonders hervor. Dort hängt für jeden Abgeordneten ein Kleiderbügel, an dem eine rosafarbene Schleife befestigt ist. Sie dient der Entwaffnung der Politiker, bevor sie ins Plenum gehen, und hat heute eine rein symbolische Funktion. Abgeordnete, die ihr Schwert bei sich haben, könnten es dank der Schleife in der Garderobe zurücklassen.

Regeln beim Gebet

Nach der weltlichen Abrüstung folgt die geistliche Erbauung: Vor jeder Sitzung des Unterhauses beten seine Mitglieder mit einem Geistlichen – beginnend mit dem Vaterunser.

Dabei drehen sich alle Abgeordneten zur Wand. So bleibt verborgen, wer sich bekreuzigt und wer es nicht tut. Eine Tradition aus Zeiten der Religionskriege, berichtet die Abgeordnete der Liberal Democrats Wera Hobhouse. Ein Blick zur Seite, während des Gebets, verrate allerdings mit Leichtigkeit, welche Abgeordneten sich bekreuzigen und welche nicht. 

Wera Hobhouse weist auf noch eine weitere Besonderheit im britischen Unterhaus hin: die extreme räumliche Enge im Plenarsaal. Wenn ein Großteil der Abgeordneten anwesend ist, muss ein Teil der Parlamentarier die Debatten über Fernseher in anderen Räumen verfolgen.

"Es ist verrückt, dass wir 650 Abgeordnete sind, aber in dem Chamber nur Platz für etwa 300 bis 400 Abgeordnete ist."
Wera Hobhouse, Abgeordnete im britischen Unterhaus für die Liberal Democrats

Mehr zum politischen System in UK und dem Brexit bei Deutschlandfunk Nova:

Shownotes
Britisches Unterhaus
Die Feinheiten des Parlaments in London
vom 15. Januar 2019
Moderator: 
Ralph Günther
Gesprächspartner: 
Johannes Döbbelt, Deutschlandfunk-Nova-Reporter