Das Bürgergeld soll unbürokratisch und nah an den Menschen sein. Philipp hat Anspruch darauf. Trotzdem dauert es anderthalb Monate, inklusive Ablehnung und vieler Nachweise, bis er eine Bewilligung für die Sozialleistung bekommt.
Bürgernäher, unbürokratischer und zielgerichteter – mit diesen Worten wird die staatliche Sozialleistung zur Sicherung des Existenzminimums in Deutschland, auf der Website der Bundesregierung beschrieben. Abgelöst wurde sie Anfang 2023 vom damaligen Arbeitslosengeld II, umgangssprachlich Hartz-IV genannt.
Philipp erfüllt die Kriterien, um Bürgergeld zu erhalten. Er hat kürzlich sein Masterstudium beendet und ist auf Jobsuche. Als volljährigem, kinderlosem Single stehen ihm monatlich 502 Euro zu (Stand: Oktober 2023).
Unzählige Belege für 502 Euro im Monat
Den Antrag stellt Philipp beim zuständigen Jobcenter. Das geht sogar online und ist tatsächlich recht unkompliziert, auch wenn Philipp die Formulare, zwischen denen er wählen muss, nicht unbedingt selbsterklärend findet.
Nach anderthalb Wochen erhält er ein Schreiben, dass er nun alles Mögliche vorweisen müsse: vom Mietvertrag über die Nebenkostenabrechnung, bis hin zu sämtlichen Kontoauszügen.
"Ich fand‘s schon nervig, weil man ja durch meinen Kontostand gesehen hat, dass ich nicht wohlhabend bin – und trotzdem musste ich irgendwelche Transaktionen begründen."
Rund zwei Wochen später erhält er wieder einen Brief: Alle Zahlungseingänge auf seinem Konto ab hundert Euro muss Philipp erklären. Dazu gehören bei ihm zum Beispiel auch Zahlungen für die WG-Kasse oder Gemeinschaftsurlaube mit Freund*innen.
Auch einen Nachweis, dass seine Eltern ihm keinen Unterhalt mehr zahlen, muss Philipp einreichen. Das Ganze dauert anderthalb Monate. Philipp ist inzwischen ziemlich blank, als endlich das erhoffte Schreiben im Briefkasten liegt. Doch statt einer Bewilligung erhält er eine Ablehnung.
"Und dann kommt gegen Ende des Monats einfach eine Ablehnung. Da war ich schockiert, weil ich schon einen Monat keine Miete gezahlt hatte und der nächste Monat bevorstand."
Die Ablehnung wird damit begründet, dass Philip Student sei und damit Anrecht auf BAföG habe. Dabei hatte Philipp bei der Antragstellung angegeben, dass er sein Studium abgeschlossen hat. Einzig das Zeugnis fehlt noch, weil seine Masterarbeit noch nicht benotet worden ist.
Für den Antrag braucht es mentale Stärke und viel Geduld
Erst nachdem das Prüfungsamt Philip schriftlich nachweist, dass er sein Studium wirklich beendet hat, kommt endlich die Bewilligung des Bürgergeldes.
"Es hat auch Kraft geraubt und ich wär mir eigentlich ziemlich sicher, dass – wenn ich jetzt zum Beispiel eine Depression hätte oder andere psychische Probleme – dann wäre es mir schon extrem schwer gefallen, den Antrag durchzuführen."
Als unkompliziert, bürgernah oder gar unbürokratisch kann Philipps Odyssee zum Bürgergeld sicherlich nicht bezeichnet werden. Dennoch hat es in seinem Fall geklappt, die viele bürokratische Arbeit hat sich gelohnt. Gleichzeitig hat Philipp durch das Antragstellen und das wochenlange Warten einen Einblick in den bürokratischen Aufwand bekommen, den Menschen auf sich nehmen müssen, um soziale Leistungen zu erhalten, auf die sie ein Recht haben.