Dänisch, Friesisch, Sorbisch, Romanes und Plattdeutsch werden seit 1998 in Deutschland geschützt und gefördert. Zum 25-jährigen Bestehen der EU-Charta zu Regional- und Minderheitensprachen wird im Bundestag in diesen Sprachen debattiert – auch von Gyde Jensen.
Am 2. März sind im Deutschen Bundestag Sprachen zu hören, die sonst unüblich sind: Die Abgeordneten debattieren über Schutz und Förderung der fünf in Deutschland anerkannten Regional- und Minderheitensprachen: Dänisch, Friesisch, Sorbisch, Romanes und Niederdeutsch/Plattdeutsch. Einige davon werden ihre Reden in einer dieser Sprachen halten, was ausdrücklich erwünscht ist. So auch Gyde Jensen, Abgeordnete der FDP im Deutschen Bundestag für den Wahlkreis Nordfriesland/Dithmarschen Nord.
"Eine Minderheitensprache überlebt nur dann, wenn sie überall und nicht nur zu Hause verwendet wird."
Der Hintergrund: Vor 25 Jahren, am 1. März 1998, ist die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen unterzeichnet worden. Die Konvention des Europarates gilt in 25 Ländern. Die Charta verpflichtet ihre Vertragsstaaten, den Gebrauch der Regional- und Minderheitensprachen in allen Bereichen des öffentlichen Lebens aktiv zu fördern, zum Beispiel in Schulen, Gerichten, der Verwaltung, im wirtschaftlichen und sozialen Leben. Der Europarat überwacht, dass das auch geschieht.
Plattschnackerin Gyde Jensen
Gyde Jensen (FDP) aus dem Wahlkreis Nordfriesland/Dithmarschen Nord ist seit fünf Jahren im Bundestag. Sie wird am 02. März im Bundestag Plattdeutsch sprechen und ist Mitinitiatoren der Debatte.
Gyde Jensen glaubt, dass die meisten Zuhörer*innen sie sogar verstehen werden. Sie sei zwar mit Plattdeutsch aufgewachsen, ihre Muttersprache ist aber Hochdeutsch. Manche Plattschnacker oder auch dänische Sprecherin*innen seien bestimmt schwerer zu verstehen.
"Mein persönliches Ziel ist, dass wir zeigen können, dass die sprachliche Vielfalt in der Bundesrepublik besteht. Für mich gehört Plattdeutsch zu meiner Heimat dazu und ist Teil meiner Identität."
Gyde Jensen möchte mit der Debatte ein Zeichen setzen und zeigen, dass Deutschland vielfältig ist – auch bei den Sprachen. Es sei möglich, diese in den Alltag zu integrieren. Plattdeutsch sei "eine wunderschöne Mundart, eine wunderschöne Art zu kommunizieren" – und ein Teil ihrer Identität.
Dass die Minderheitensprachen aussterben, glaubt sie nicht. Die Tendenz und der Trend gingen in Richtung Pflege und Schutz der Sprachen und in Richtung einer größeren Ambition, diese Sprachen auch zu lernen.
Wie der plattdeutsche Parlamentskreis entstand
2018 saß Gyde Jensen mit ihrem Bundestagskollegen Johann Saathoff während einer Auslandsreise in einem kleinen Restaurant in Odessa in der Ukraine. Dabei fiel beiden auf, dass sie Plattdeutsch können – und sie wechselten auf diese Sprache.
Die Idee entstand, dass man dazu eigentlich Mal was im Bundestag machen müsste. Es folgten ein Gespräch mit dem Niederdeutschsekretariat in Hamburg, das für den Schutz dieser Sprache zuständig ist. Und so wurde der plattdeutsche Parlamentskreis gegründet. Eines seiner Ziele war genau die Debatte in Minderheitensprachen, die jetzt am 2. März geführt wird.
Motivation für Regional- und Minderheitensprachler*innen
Der Vorstoß fand viele Befürworter, hat uns Gyde Jensen erzählt. Sie erhofft sich, dass Menschen, die Dänisch, Friesisch, Sorbisch, Romanes oder Niederdeutsch können, sich dadurch motivieren lassen, diese Sprachen auch zu sprechen.
"Ich habe wenige negative Stimmen unserem Anliegen gegenüber erlebt. Das ist vielleicht dann auch der Grund, warum die Debatte heute hoffentlich munter werden wird und ein Stück weit dazu animiert, diese Sprachen auch vielleicht mal wieder mehr zu nutzen."
Interessant wird es für die Stenografen und Stenografinnen des Bundestags, die die Parlamentsreden protokollieren. Bei einer ähnlichen Debatte in den 90er-Jahren hatte hier das Nordfriesische Institut in Bremen ausgeholfen, berichtet Gyde Jensen. Das habe einwandfrei geklappt und sei für die aktuelle Debatte auch geplant.
In der Debatte wird Friesisch, Dänisch und Niederdeutsch zu hören sein, sagt Gyde Jensen. Stefan Seidler aus Schleswig-Holstein, mit dem 2021 erstmals seit fast 70 Jahren wieder ein Politiker für den Südschleswigschen Wählerverband (SSW) in den Deutschen Bundestag gewählt worden ist, wird wohl sogar in allen drei Sprachen sprechen. Seidler ist der Deutsch-Dänische Koordinator des Bundestags, der SSW die Partei der dänischen Minderheit und der friesischen Volksgruppe in Schleswig-Holstein.