1.300 Menschen sind seit knapp einer Woche obdachlos. Denn das Geflüchteten-Camp in Bihac, im Nordwesten von Bosnien-Herzegowina, wurde kurz vor Weihnachten geschlossen. Jetzt sind die Menschen dort gestrandet. Bei Minustemperaturen, ohne Zelte, Wasser und Strom.

Wenn sich an der katastrophalen Lage der Menschen, die in diesem Camp gelebt haben, nichts ändert, werden sie sterben, fürchtet einer der Geflüchteten vor Ort. Andrea Beer, Korrespondentin im ARD-Studio Südosteuropa in Wien, ist derzeit vor Ort, um sich die Lage genau anzusehen. Auch wenn es inzwischen taut, hat sich die Lage kaum verbessert, berichtet sie.

"Das Camp ist voller Schnee. Wenn es weiter schneit, wird es viele Probleme geben, und ich denke, wir werden sterben."
Hamza aus Pakistan hat im Camp Lipa bei Bihac gelebt

Die Lage der Menschen ist nach wie vor katastrophal, erzählt sie weiter: Es hat in Strömen geregnet, das abschüssige Gelände ist komplett matschig, teilweise vereist und damit sehr rutschig. Es gibt weder Wasser noch Strom noch medizinische Hilfe für die Menschen vor Ort. Zudem liegt das Camp Lipa sehr weit entfernt von jeder Art möglicher Hilfe, sagt die Korrespondentin.

Weil die Zelte kurz nach Schließung des Lagers abgebrannt sind, schlafen die Menschen auf Pappen mit dünnen Wolldecken. Die Kleidung vieler Geflüchteter ist nicht wintertauglich. Überall ist offenes Feuer, auch im letzten verbliebenen Großzelt, in dem die Menschen notdürftig Essen zubereiten. Einmal am Tag kommt das Rote Kreuz oder eine andere Hilfsorganisation vorbei und versorgt die Menschen mit Essen und Wasser, so Andrea Beer.

Not in Bihac: Keine Lösung in Sicht

Die Menschen über Hilfsorganisationen versorgen zu lassen, sei aber keine Dauerlösung. Darüberhinaus sind die Menschen völlig auf sich allein gestellt, sagt die Korrespondentin. Ein politischer Skandal, findet sie. Denn obwohl klar gewesen sei, dass das Camp Lipa geschlossen wird, gab es keine Pläne, wo die Menschen nach der Schließung untergebracht werden sollen.

"Und das Mitten in Europa. Das ist, würde ich sagen, schon ein Skandal. Ein politischer Skandal und eine humanitäre Katastrophe."
Andrea Beer, ist als ARD-Korrespondentin vor Ort in Bihac

Das politische Versagen finde gleich auf mehreren Ebenen statt. Denn die Internationale Organisation für Migration (IOM) hatte angedroht, das Lager nicht mehr weiter zu betreiben, wenn nicht Strom und Wasser zur Verfügung gestellt würden. Sie sah offenbar keine Chance, die Menschen so über den Winter zu bringen. Die Schließung hat also mit Ansage stattgefunden, berichtet Andrea Beer.

Externer Inhalt

Hier geht es zu einem externen Inhalt eines Anbieters wie Twitter, Facebook, Instagram o.ä. Wenn Ihr diesen Inhalt ladet, werden personenbezogene Daten an diese Plattform und eventuell weitere Dritte übertragen. Mehr Informationen findet Ihr in unseren  Datenschutzbestimmungen.

Die Stadt Bihac und der Kanton, in dem Bihac liegt, wollten die Menschen aber auch nicht wieder in der Stadt aufnehmen, obwohl es dort eine leerstehende Unterkunft gibt. Außerdem bemängelt die Stadt, dass die Zentralregierung in Sarajewo sie mit dem Problem komplett alleine gelassen hätte. Denn inzwischen leben geschätzt rund 3.500 obdachlose Menschen in der Gegend. Sie versuchen über Kroatien in die EU zu gelangen – ohne gültige Papiere.

Die Menschen, die jetzt noch im Camp Lipa ausharren, sind gestrandet. Die Polizei, die rund um das Camp postiert ist, hält Menschen auf, die das Lager in Richtung Stadt verlassen wollen, berichtet Andrea Beer.

*Das Artikelbild ist ein Symbolbild und zeigt die Situation in Bihac im Dezember '19.

Shownotes
Camp Lipa in Bihac
Geflüchtete gestrandet im ausgebrannten Lager
vom 29. Dezember 2020
Moderator: 
Till Haase
Gesprächspartnerin: 
Andrea Beer, Korrespondentin