Weil laut einer Studie die psychischen Störungen bei Cannabis-Konsumenten stark zugenommen haben, fragen sich viele, ob sie auch gefährdet sind. Die Wissenschaftsjournalistin Christina Sarotori beantwortet Fragen aus der Deutschlandfunk Nova-Community.

Anfang Februar hat Deutschlandfunk Nova über eine neue Studie berichtet, in der sich die Zahl der Menschen in Deutschland, die Cannabis konsumieren und mit psychischen Störungen im Krankenhaus behandelt worden sind, zwischen dem Jahr 2000 und 2018 knapp versechsfacht hat.

Viele Menschen, die Cannabis zum Spaß oder aus gesundheitlichen Gründen konsumieren, fragen sich, ob auch sie gefährdet sind, an einer psychischen Störung zu erkranken. Wissenschaftsjournalistin Christina Sartori geht auf die Fragen aus der Deutschlandfunk Nova-Community ein:

  • "Wenn synthetische Cannabinoide mehr psychische Störungen verursachen, wieso werden sie dann von Krankenkassen bevorzugt an Patienten gegeben und nicht natürliche?"

Synthetische Cannabinoide werden nicht aus Hanf hergestellt, sondern das sind Stoffe, die künstlich hergestellt werden und ähnlich wirken wie ein oder mehrere Inhaltsstoffe von Cannabis. Man findet sie in sogenannten Gewürz- oder Kräutermischungen, in sogenannten "Legal Highs", die aber nicht immer legal sind. Die Autoren und Autorinnen der Studie sagen: Ein möglicher Grund dafür, dass mehr Menschen nach Cannabinoid-Konsum psychische Probleme bekommen, könnte sein, dass mehr von solchen Mischungen mit synthetischen Cannabinoiden konsumiert werden – und die können besonders stark oder besonders wirksam und somit besonders gefährlich sein.

  • "Warum wird synthetisches Cannabinoid offiziell von den Krankenkassen bevorzugt abgegeben?"

Krankenkassen geben keine Medikamente ab, die erstatten nur die Kosten von Medikamenten, die Ärzte und Ärztinnen verschreiben. Aber ja: Unter den Mitteln, die legal von Ärzten verschrieben werden können und von der Krankenkasse bezahlt werden, gibt es ebenfalls ein Cannabinoid, dass synthetisch hergestellt wird. Aber: Der große Unterschied ist: Man weiß genau, wie es dosiert werden muss, weil das ja ein Medikament ist, das immer gleich produziert wird. Keine Gewürzmischung, die niemand kontrolliert. Dieses Cannabinoid wird auch fast nur bei Krebspatienten gegen Nebenwirkungen einer Chemotherapie unter der Aufsicht eines Arztes odereiner Ärztin eingesetzt.

  • "Mich würde mal der Unterschied zum Nervengift Alkohol interessieren."
"Es kommt auf die Menge an. Das gilt für Alkohol wie für Cannabinoide. Je höher die Konzentration, je öfter konsumiert – desto schädlicher."
Christina Sartori, Wissenschaftsjournalistin

Generell kann ich da nur sagen: Die Dosis macht das Gift: Es kommt auf die Menge an. Das gilt für Alkohol wie für Cannabinoide. Je höher die Konzentration, je öfter konsumiert – desto schädlicher. Bei beiden zeigt sich: Gerade für Teenager sind diese Gifte besonders gefährlich. Es gibt Studien, die zeigen, dass das Gehirn von Teenagern durch regelmäßigen Konsum von Cannabis sich verändert – und zwar negativ. Und ja – es stimmt, Alkohol ist ein Nervengift. Er schadet nicht nur der Leber, erhöht das Risiko für manchen Krebs, sondern zerstört auch Nervenzellen.

Cannabis kann für junge Menschen sehr schädlich sein

  • "Wer sollte Cannabis auf keinen Fall konsumieren?"

Vor allem junge Menschen scheinen für Gehirnveränderungen besonders gefährdet zu sein. Wenn Cannabisprodukte in der Medizin eingesetzt werden, dann nur, wenn andere Behandlungen nicht erfolgreich waren. Nur dann darf ein Arzt oder eine Ärztin ein Cannabisprodukt verschreiben: Gegen Schmerzen, gegen Nebenwirkungen einer Chemotherapie, oder auch gegen psychische Störungen. Da geht es dann weniger um das Alter oder Geschlecht, sondern dass eben alles andere nicht geholfen hat.

  • "Was kann man dagegen tun? Wäre toll, wenn man es selber testen könnte."

Ich hoffe ich verstehe die Frage richtig: Kann man selber testen, ob man durch Cannabiskonsum eine psychische Störung bekommt? Dazu würde ich sagen: Nein, kann man nicht, weil bisher gar nicht klar ist, warum das bei manchen Menschen geschieht und bei anderen nicht. Klar, je höher der Tetrahydrocannabinol (THC)-Gehalt, desto höher das Risiko – und je wilder die Mischung, falls man eine Kräutermischung nimmt, desto unberechenbarer die Folgen – aber genaueres kann man da nicht sagen. Auch weil eben so viele unterschiedliche Produkte illegal gehandelt werden, bei denen man nicht weiß, was drin ist.

  • "Was war zuerst da, die psychischen Probleme oder die Sucht?"

Das ist in dieser aktuellen Studie nicht untersucht worden. Man die Zahlen bestimmter Diagnosen aus jedem Jahr vergleichen, die mit dem Konsum von Cannabis im Zusammenhang standen. Man hat aber nicht die jeweilige Krankengeschichte der Patienten analysiert.

  • "Wird, falls bald soweit, legalem Cannabis auch synthetisches CBD dazugegeben? Ich war drei Jahre lang abhängig und habe Hoffnung, das vom Staat verkauftes weniger "schädlich" ist. Habe durch das Gras psychosomatische Probleme bekommen."
"Man weiß nur wenig darüber, welches Cannabinoid süchtig oder weniger süchtig macht."
Christina Sartori, Wissenschaftsjournalistin

Ich kann nicht sagen, wie das neue Gesetz am Ende aussehen wird, weil ja noch daran gearbeitet wird. Aber: Es gibt kaum Studien, die sich mit der Langzeitwirkung von Cannabis oder Cannabinoid-Therapien beschäftigen. Darüber weiß man nur wenig - auch welches Cannabinoid süchtig oder weniger süchtig macht. Es gibt auf dem ganzen Gebiet einfach sehr wenig Forschung, selbst zu den Anwendungen, die jetzt in der Medizin möglich sind.

  • "Würde eine Legalisierung mit klaren Qualitätsstandards helfen?"

Das könnte den Vorteil haben, dass dann Qualität und Inhaltsstoffe besser kontrolliert werden. Es kann sich aber auch genau andersherum entwickeln. Die Studienautor*innen führen an: Möglicherweise könnte es sein, dass der illegale Konsum von Cannabisprodukten in Deutschland deswegen gestiegen ist, weil viel über die Legalisierung und den Einsatz in der Medizin diskutiert wurde und dadurch die positive Einschätzung, Cannabis sei harmlos, sich verbreitet habe. Das ist eine Überlegung. Das könnte so passieren – muss aber nicht.

  • "Sollten Cannabinoide nicht ein Faktor für die Legalisierung sein? Im Sinne eines "Reinheitsgebotes"?"

Vorweg: Es ist ja noch nicht klar, was genau legalisiert werden soll. Zu den einzelnen Stoffen: In der Medizin werden ja nicht nur einzelne Cannabinoide eingesetzt, sondern auch Mischungen von Cannabinoiden, wie sie zum Beispiel in Hanf-Blüten vorkommen. Es gibt Hinweise, dass eine Mischung aus mehreren Inhaltsstoffen eventuell besser verträglich ist, als nur ein einzelnes Cannabinoid. Andererseits sind Auszüge einzelner Cannbinoide besser zu dosieren, weil man genauer weiß, was in dem Mittel enthalten ist. Aber es kommt ja auch darauf an, ob man gesundheitliche Beschwerden lindern oder ob man einen Rausch haben will.

  • "Ist es möglich, trotz schlechter Erfahrung mit THC eine weniger potente Cannabis-Sorte zu konsumieren?"

Ich kenne dazu keine Studie, das ist ja sehr speziell. Generell sagt man in der Medizin: Wenn du auf einen Stoff schlecht reagierst, dann solltest du die Finger davon lassen. Wie gesagt: Es ist noch nicht genau geklärt, warum Menschen verschiedenen darauf reagieren, aber wenn man wahrgenommen hat, dass man auf einen bestimmten Stoff schlecht reagiert, dann sollte man auf seinen Körper hören.

Shownotes
Psychische Störungen
Cannabis - Wie gefährlich der Konsum werden kann
vom 12. Februar 2022
Moderator: 
Ralph Günther
Gesprächspartnerin: 
Christina Sartori, Wissenschaftsjournalistin