Der Name Charles H. Turner wird den wenigsten etwas sagen. Denn der Biologe war schwarz und seine Forschung wurden zeit seines Lebens kaum beachtet. Dabei war er ihr weit voraus.
Am 3. Februar 1867 wird in Cincinnati ein Junge geboren, der später mit seinen Experimenten und Studien einen wichtigen Beitrag in der Biologie leisten und die Wissenschaft damit voranbringen wird - so sollte die Geschichte eigentlich lauten.
Doch es kommt anders, denn Charles Henry Turner, der zwei Jahre nach der Abschaffung der Sklaverei auf die Welt kommt, ist schwarz. Und seine fortschrittlichen Forschungen über das Verhalten von Tieren werden zeit seines Lebens und auch noch viele Jahrzehnte danach kaum beachtet, obwohl sie den anderen Forschenden durchaus bekannt waren.
Forschen ohne Unterstützung
Als erster Afroamerikaner hat Charles H. Turner an der Universität von Chicago einen Doktortitel in Zoologie erhalten. Danach konnte er seine Uni-Karriere allerdings nicht mehr fortsetzen. Denn der Professor, der ihn an die Universität holen wollte, verstarb und dessen Nachfolger wehrte sich dagegen, einen schwarzen Mann an seiner Fakultät zu haben.
"Er sollte zwar an die Uni berufen werden, aber ein Historiker schreibt, dass der Professor, der ihn holen wollte, vorher starb. Und der Nachfolger wollte keinen schwarzen Mann an seiner Fakultät."
Charles H. Turner forschte weiter, allerdings ohne die Logistik und die Unterstützung, die er in einem universitären Umfeld erhalten hätte. Neben einer Lehrtätigkeit an einer High School für afroamerikanische Kinder in St. Louis veröffentlichte er über 70 Paper. Davon drei im Fachmagazin Science, das nun über ihn berichtet. Im diesem Artikel schreiben die Autorin und der Autor, dass Charles H. Turner mit seinen Erkenntnissen seiner Zeit weit voraus war.
Doch dadurch, dass er nicht an einer Universität lehrte, konnte er selbst keine weiteren Leute ausbilden und mit ihnen seine Ideen und Forschungen fortführen. Als dann andere Forschende Jahre später die gleichen Erkenntnisse hatten, erzielten sie stattdessen den großen Durchbruch.
Ignorierte Forschungsergebnisse
Es wurde beispielsweise lange gedacht, dass Insekten wie Grabwespen durch den Geruch ihres Nestes dahin zurückfinden. 1932 hat dazu der spätere Nobelpreisträger Nicolaas Tinbergen bewiesen, dass sie sich nicht am Geruch, sondern an visuellen Punkten in der Umgebung orientieren wie er in einem Experiment mit Kieferzapfen aufwies.
Charles H. Turner hatte dieses Experiment allerdings schon 25 Jahre vorher mit einer Biene und einem Cola-Deckel durchgeführt. Hätte man damals schon diese Erkenntnisse anerkannt, dann wäre die Forschung heute vermutlich weiter, sagt Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Sabrina Loi.
"Das muss man sich mal reinziehen: Was hätte in der Forschung alles passieren können, wenn man damals schon auf diese Erkenntnisse aufgebaut und sie nicht ignoriert hätte?"
Andere Erkenntnisse hatte Charles H. Turner noch deutlich früher veröffentlicht. Beispielsweise die Erkenntnis, dass Tiere einen Umweg in Kauf nehmen, um sich an ihre Beute heranzuschleichen. Das bedeutet, dass Tiere bewusste Entscheidungen treffen können. Charles H. Turner hatte das schon Anfang des 19. Jahrhunderts an einer Schlange beobachtet.
Wirklich Beachtung fanden aber erst ähnliche Beobachtungen an Spinnen Mitte der 90er Jahre. Vor gut zehn Jahren hat ein Neurowissenschaftler zusätzlich zur Debatte gestellt, dass auch Insekten einen freien Willen haben könnten. Auch das hatte Charles H. Turner knapp hundert Jahre zuvor an Schaben festgestellt.
Gebührend feiern und angemessen fördern
Auch heute sprechen die Autorin und der Autor des Artikels im Fachmagazin Science davon, dass in der Biologie und besonders auf dem Gebiet der Wahrnehmung von Tieren kaum schwarze Wissenschaftlerinnen oder Wissenschaftler zu finden sind. Schon vor hundert Jahren hatte Charles H. Turner genau dieses Problem kritisiert: Es fehlten und fehlen bis heute Vorbilder für ethnische Minderheiten.
Die Forschenden schlagen deshalb vor, dass die Erfolge dieser vergessenen und lange ignorierten Forschenden nicht nur gebührend gefeiert werden sollten, sondern dass diese Forschenden auch bei der Einstellung, der Förderung und beim Lohn gleichgestellt werden sollten.