Das Idealbild vom Körper einer Frau ist allgegenwärtig, besonders auf Social Media. Wie viel Druck das machen kann, weiß Lu. Sie litt an einer Essstörung und findet Skinny-Toks bedenklich. Diskriminierung von dicken Menschen war trotz Body Positivity nie weg, sagt eine Kulturwissenschaftlerin.
Wenn sogenannte Skinny-Toks in Lus Social Meda-Feed angezeigt werden, dann blockiert sie diese Konten oder gibt das Feedback, dass sie kein Interesse an solchen Inhalten hat. Wenn Reels ihr besonders schädlich erscheinen, zum Beispiel für die Entwicklung eines gesunden Selbstbildes bei jungen Frauen, dann meldet sie diese Art von Content auch.
"Social Media hatte einen ganz großen Einfluss, weil ich Menschen gefolgt bin, die mir ein gewisses Ideal verkauft haben: So sollte man aussehen, so sollte man leben."
Denn der Druck, der vom gesellschaftlichen Idealbild eines Frauenkörpers ausgeht, hat Lu lange genug am eigenen Kopf und Körper zu spüren bekommen. Sie litt an einer Essstörung.
"Ich habe die Kommentare geöffnet und alle haben geschrieben: 'Ich wäre auch gern so dünn.' - Ich konnte einfach meinen Augen nicht trauen, dass das hier wieder da ist."
Ein Reel in ihrem Feed schockiert Lu besonders: Eine Frau präsentiert ein Basic-Outfit, ein Shirt und eine Jeans, und der Titel lautet: Skinny is the outfit. Schlanksein sei das, wobei es beim Outfit ankomme, wird hier suggeriert. Und es wird wie ein Accessoire zum Statussymbol erhoben. Für Lu ein No-Go, gegen dass sie sich mit ihren Mitteln wehrt. Sie nutzt ihren Social-Media-Account, um ihre Erfahrungen mit anderen zu teilen.
Ihren eigenen Blick auf sich zu verändern, war viel Arbeit, sagt Lu. Dabei hat es ihr geholfen, Menschen auf Social Media zu folgen, die ihr ein gutes Gefühl gegeben und die darüber sprechen, wie man Selbstliebe üben und praktizieren kann. Dadurch war es ihr möglich, die Vorstellung, dass sie schön sein muss, hinter sich zu lassen und eher danach zu fragen, welche Dinge sie erfüllen und glücklich machen.
Dass der Skinny-Trend nun wieder stärker zu spüren ist, macht Lu traurig, sagt sie, weil sie das Gefühl hat, dass es ein Rückschritt ist.
Skinny: Kein neues Schönheitsideal
Essstörungen sind komplexe psychische Erkrankungen, sagt die Psychologin Kerstin Giel. Social-Media-Inhalte, die den Skinny-Trend feiern, können nicht als alleinige Ursache zum Beispiel für Essstörungen gesehen werden, sagt sie. Sie können aber verstärkend wirken.
Social-Media kann den aktuellen Trend zuspitzen, weil es eine neue Vergleichsebene aufmacht. Wir vergleichen uns nicht mehr mit Models oder Prominenten, sondern vermeintlich mit Content-Creator*innen, die so sind wie du und ich.
Was den Trend so erfolgreich macht, ist, dass man für Skinny-Content in den Sozialen Medien Klicks bekommt und Aufmerksamkeit erhält. Die eigentliche Währung auf den Plattformen.
"Diese sehr dünnen Schlankheitsideale sind nichts Neues, aber, wie es über Social-Media kommuniziert wird, so zugespitzt, das ist neu."
Der Druck, dünn zu sein, was in unserer Gesellschaft als gleichbedeutend mit schön sein verstanden wird, umgibt uns völlig, sagt die Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Elisabeth "Elli" Lechner. Und: Er wird von allen Seiten verstärkt.
Nicht mit der Scham alleine zu bleiben, wenn wir Bodyshaming-Erfahrungen machen, empfiehlt sie, sondern dass wir uns mit Vertrauenspersonen und Freunden darüber austauschen sollen.
Es ist ok, uns selbst vor negativen Kommentaren zu schützen
Uns selbst vor negativen Kommentaren zu schützen, sei legitim. Das könnten wir erreichen, wenn wir bestimmte Outfits an Orten und in Zusammenhängen tragen, in denen wir uns sicher und geschützt fühlen, sagt Elli Lechner.
Sie rät uns auch Menschen auf Social Media zu entfolgen, die uns ein schlechtes Gefühl in Bezug auf unseren Körper geben.
"Dickenfeindlichkeit sind wir leider nie losgeworden. Und andere Formen von Diskriminierung aufgrund des Äußeren, also Lookismus, leider auch nicht."
Der "Return of Skinny", wie Elli Lechner das verstärkte Aufkommen von Skinny-Toks auf Social Media nennt, ist nicht völlig gegenläufig zum Body-Positivity-Trend in den 2010er Jahren. Denn auch Body-Positivity konnte die Dickenfeindlichkeit und den Lookismus, die Diskriminierung aufgrund des Äußeren, völlig auflösen, sagt Elli Lechner.
Es gab zwar mehr Plus-Size-Models als zum jetzigen Zeitpunkt, aber die durften nur in einem Aspekt vom gängigen Schönheitsideal abweichen, und zwar in ihrem Gewicht. In anderen Punkten entsprachen auch sie dem gängigen Schönheitsideal: eine Sanduhr-Figur, keine Behaarung am Körper und entsprechend geschminkt.
Der Druck auf Körper hat stark zugenommen
Der Druck auf weibliche Körper und die queerer Menschen hat zugenommen, sagt Elli Lechner. Dafür stellt sie drei Ursachen fest:
- Die verbreitete Nutzung digitaler bildgebender Technologien: Filter, Erstellung von Bildern mit Künstlicher Intelligenz, die Vorurteile und Voreingenommenheiten schüren
- Den Verkauf und die Vermarktung von Abnehmspritzen und das irreführende Narrativ, dass nun jeder abnehmen könnte.
- Die große Erfolgswelle von rechtspopulistischen und rechtsradikalen Bewegungen, die ein bestimmtes äußerliches Frauenbild verbreiten und popularisieren, das meist auch mit einer Vorstellung von der guten und richtigen Art, wie Frauen leben sollen verknüpft ist.
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