Eigentlich müssten werbefinanzierte Webseiten gerade viel Geld verdienen, weil ihre Klickzahlen aufgrund Corona rapide gestiegen sind. Machen sie aber nicht. Schuld daran ist wohl ein spezieller Algorithmus.

Die Menschen sind gerade zuhause: in Quarantäne, in selbstgewählter Isolation, im Homeoffice und in Kurzarbeit. Gleichzeitig ist die Nachfrage nach frischen Informationen riesig. Die Folge: Die Klickzahlen von Medien-Seiten im Netz explodieren, die Besucherzahlen gehen rapide hoch.

Die Werbeeinnahmen dieser Seiten schießen dagegen paradoxerweise nicht in die Höhe. Im Gegenteil, sie gehen sogar zurück. So berichten es etwa die Online-Ausgaben des "Business Insider" oder der "New York Times". Dort seien die Werbeeinnahmen des Onlineauftritts um zehn Prozent gesunken.

"Weltweit beobachten werbefinanzierte Webseiten, dass die Werbeeinnahmen trotz deutlich gesteigerter Reichweiten zurückgehen."
Michael Gessat, Deutschlandfunk-Nova-Reporter

Für die betroffenen Seitenbetreiber kommt das ziemlich überraschend, sagt Deutschlandfunk-Nova-Reporter Michael Gessat. Denn normalerweise gelte im Netz die Regel: Je mehr Traffic und Reichweite, desto mehr Geld durch Werbung.

Schuld sind "Brand Safety"-Algorithmen

Die Ursache für den Rückgang der Werbeeinnahmen sind vermutlich spezielle Algorithmen.

Werbung wird heutzutage nutzerspezifisch und individuell geschaltet. Sie orientiert sich am Kontext, also an den Inhalten, die sich die Nutzerin oder der Nutzer anschaut.

Besonders wichtig ist den Auftraggebern, dass ihre Anzeigen und ihre Markennamen nicht in bestimmten, negativ konnotierten Zusammenhängen auftauchen, also etwa mit Fake News, Verschwörungstheorien oder Hatespeech. Das Ganze nennt sich Brand Safety, also Markensicherheit.

Das Corona-Umfeld ist nicht positiv konnotiert

Die Algorithmen sind "nicht übermäßig intelligent programmiert", sagt Michael Gessat. Normalerweise reagieren sie schlicht und einfach auf spezifische Schlüsselbegriffe. Sie werden als positiv und passend oder eben negativ und unpassend zur Marken-Message interpretiert. Und der Begriff "Corona" suggeriert nun mal aber eben kein positives, erfreuliches Umfeld. Sehr häufig wird er von den Algorithmen geblockt.

"Laut Statistiken von Anzeigen-Analysten liegt der Begriff 'Corona' auf Platz drei der von diesen Algorithmen geblockten Schlüsselbegriffe."
Michael Gessat, Deutschlandfunk-Nova-Reporter

Die potenziellen Kunden interessieren sich gerade sehr für alles, was mit Corona zu tun hat. Das ist zwar nichts Positives, aber auch nicht dieselbe Kategorie wie Hatespeech, Verschwörungstheorien oder Fake News. Deshalb treten die Vertreter werbefinanzierter Seiten jetzt die Flucht nach vorn an: Sie appellieren an die Werbetreibenden, diese Algorithmen in der aktuellen Situation dringend zu überprüfen oder abzuschalten.

Manche Firmen fahren Werbeausgaben auch ganz bewusst runter

Neben dem Effekt, den die nicht mehr passenden Algorithmen auslösen, gibt es aber auch Unternehmen, die ganz bewusst entscheiden, ihre Werbe-Ausgaben erstmal runterzufahren.

Der naheliegende Hintergrund: Viele Firmen mussten ihre Läden wegen Corona gerade ohnehin schließen. Da können sie auch die Investitionen für Anzeigen einfrieren oder zumindest reduzieren. Entweder, weil sie tatsächlich nichts mehr verkaufen können. Oder weil sie ihr Werbebudget zur Corona-Bekämpfung spenden. Coca-Cola macht das zum Beispiel. Dieses Geld fehlt dann den werbefinanzierten Medien.

Shownotes
Online-Medien
Werbeeinnahmen sinken: Algorithmen mögen "Corona" nicht
vom 30. März 2020
Moderation: 
Diane Hielscher
Gesprächspartner: 
Michael Gessat, Deutschlandfunk-Nova-Reporter