Durch die neuen Omikronvarianten BA4 und BA5 infizieren sich sehr viele Menschen mit Corona. In Krankenhäusern kommt es zu Engpässen, weil sich auch Personal ansteckt und damit für einige Tage ausfällt. Jetzt werden auch wieder mehr Menschen mit Covid-19 im Krankenhaus behandelt. Also jetzt schnell alle ein viertes Mal impfen lassen? So einfach ist es leider nicht.
Die vierte Impfung wird in Deutschland bislang für Menschen über 70 Jahren, Menschen mit Vorerkrankungen und Mitarbeitenden in medizinischen Einrichtungen empfohlen. Bei vielen liegt der Booster schon mehr als ein halbes Jahr zurück.
Das Robert-Koch-Institut (RKI) kommt durch die fortlaufende Bewertung der Effektivität einer Corona-Schutzimpfung zu dem Schluss, dass die Wirkung durch neue Varianten stark abnimmt. Bei Menschen, bei denen der Booster schon mehr als drei Monate zurückliegt, wird von einer Wirkung von 44 bis 65 Prozent gegen eine symptomatische Infektion ausgegangen.
Von Person zu Person ist die Schutzwirkung unterschiedlich
Julia Polke aus dem Deutschlandfunk-Nova-Wissensteam erklärt, dass die Spannweite deswegen so groß ist, da zu dem Thema sehr viele verschiedene Studien gemacht werden. Außerdem sei die Schutzwirkung von Person zu Person sehr unterschiedlich.
Für die Varianten BA4 und BA5 gibt es bislang allerdings nur Daten aus dem Labor. "Die Impfantikörper können bei diesen Varianten nur etwa ein Viertel der Menge an Virus neutralisieren – also binden - die sie beim Ursprungsvirus neutralisieren konnten", sagt Julia Polke. Zum Vergleich: Bei den Omikronvarianten BA1 und BA2 waren es zumindest noch ein Drittel.
"Die Impfantikörper können bei diesen Varianten nur etwa ein Viertel der Menge an Virus binden. Bei den Omikronvarianten BA1 und BA2 waren es zumindest noch ein Drittel."
Vor einer Infektion sind also nicht wirklich alle gut geschützt. Vor einer schweren Erkrankung seien aber junge, gesunde Menschen immer noch ziemlich gut geschützt, sagt Julia Polke. Das liegt daran, dass es nicht nur Antikörper, sondern auch Immunzellen gibt, an die sich das Virus noch sehr lange erinnern kann. Und die werden bei einem Kontakt sofort aktiv.
Israelische Studien: Schutz einer vierten Impfung lässt nach ein paar Wochen nach
Die Inzidenzen sind ja gerade wieder ziemlich hoch. Dass man sich aus Schutz gegen eine mögliche Infektion deswegen die vierte Impfung holen sollte, ist nicht erwiesen.
Denn israelische Studien – dort haben sehr früh sehr viele Menschen die vierte Impfung bekommen – kommen zwar zu dem Ergebnis, dass eine vierte Immunisierung die Antikörperantwort noch einmal erhöht. Ein paar Wochen schützt dies auch vor einer Infektion. Allerdings lässt der Schutz sehr schnell nach.
Julia Polke aus dem Deutschlandfunk-Nova-Wissensteam erklärt, dass eine vierte Impfung vor allem bei älteren Menschen sinnvoll ist. Der Hintergrund: Ihr Immunsystem ist nicht mehr so fit und braucht häufig einen Anstupser.
Dagegen bringt die vierte Spritze jungen, gesunden Menschen nicht mehr so viel – zumal sich viele ja trotz Booster-Impfung in den vergangenen Wochen mit dem Virus infiziert haben. Nach einer Ansteckung bildet das Immunsystem frische Antikörper – und die würden sich durch die Impfung nicht wirklich verstärken.
Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt erst mal auch keine weitere Impfung, wenn man eine Durchbruchinfektion hatte.
Unsere Wissensreporterin erklärt, dass die Durchbruchinfektion nicht dauerhaft vor einer Infektion schützt. Wie lange man keine Angst vor einer neuen Ansteckung haben muss, sei individuell aber sehr unterschiedlich, sagt Julia Polke.
Bei vergangenen Varianten stellten Fachleute fest, dass Menschen, die sehr krank waren, im Schnitt einen höheren Antikörperspiegel hatten als Menschen, die nur einen Schnupfen hatten.
Menschen mit einem schwächeren Krankheitsverlauf konnten sich deshalb eher noch einmal mit Corona infizieren. Allerdings lässt sich das nicht mehr so gut mit der aktuellen Situation vergleichen, da bei den vorherigen Varianten die Impfung noch nicht so verbreitet war.
In Australien wurden Daten zu BA4 und BA5-Variante ausgewertet. Dort zeigt sich: Menschen haben sich teilweise schon nach vier Wochen erneut angesteckt – teils sogar mit der gleichen Virusvariante.
Wissensreporterin Julia Polke erklärt, dass es daher erst mal keine hundertprozentige Sicherheit gebe, wenn man erst vor ein paar Wochen infiziert war. Allerdings spreche einiges dafür, dass der Krankheitsverlauf bei einer Reinfektion milder ausfalle. Allerdings lässt sich auch das nicht pauschalisieren.
"Das Immunsystem lernt natürlich mit jeder Corona-Infektion ein bisschen dazu und kann das Virus besser bekämpfen."
Bleibt die Frage, was mit den für den Herbst angekündigten neuen Impfstoffe ist. Eine Empfehlung der Stiko gibt es noch nicht. Unsere Wissensreporterin erklärt: "Die Daten für die angepassten Impfstoffe liegen der Europäischen Arzneimittelagentur vor und die sehen so aus, als würden sie noch einmal besser vor einer Ansteckung mit einer der Omikronvarianten schützen – aber ob da wirklich alle von profitieren, ist schwierig zu sagen." Gerade bei Menschen, die sich nach einer Dreifachimpfung infiziert haben, könnte es sein, dass ihr Immunsystem nicht so stark die Omikron-Impfung anspringe.