Das Coronavirus verändert sich ständig. In der sich wohl vermehrenden Variante B.1.617 aus Indien sehen manche Experten schon jetzt eine Gefahr. Für eine genaue Einschätzung fehlen aber noch aussagekräftige Daten.
Nachdem sich die britische Coronavirus-Mutante B.1.1.7 mittlerweile in Deutschland durchgesetzt hat, wird schon vor der nächsten Variante gewarnt: B.1.617, die zuerst in Indien gefunden wurde.
Seit etwa einem Monat verbreitet sich das Coronavirus dort stark, was sich an den Infektionszahlen und Sterbefällen zeigt. Und: Immer häufiger wird die Mutante B.1.617 nachgewiesen.
Zusammenhang nicht eindeutig
Im Bundesstaat Maharashtra zum Beispiel enthalten inzwischen über 60 Prozent der untersuchten Proben die neue Variante, erklärt Wissenschaftsjournalist Volkart Wildermuth. Es sei allerdings fraglich, wie aussagekräftig diese Zahlen seien, weil in Indien wenig sequenziert werde.
Der englische Genetiker Jeffrey Barrett warnt deshalb davor, den Anstieg der Zahlen alleine auf die Variante zurückzuführen. In den vergangenen Wochen kam es etwa bei politischen Zusammenkünften und Pilgerfahrten zu großen Menschenansammlungen.
Bisher nicht besorgniserregend
Von den bislang 656 weltweit nachgewiesenen Fällen sind laut Outbreak.info 298 in Indien bekannt, 179 im Vereinigten Königreich und 61 in den USA. In Deutschland spricht das Robert-Koch Institut (RKI) derzeit von acht Proben, die B.1.617 nachweisen. Weitere Fälle gibt es in Australien, Singapur und Belgien.
Wie gefährlich die Mutante ist, ist im Moment noch unklar. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach warnte wegen der Variante auf Twitter vor einer Covid-Katastrophe in Indien. Die Weltgesundheitsorganisation und das Robert-Koch Institut hingegen ordnen sie als Variante ein, die beobachtet werde. Um sie als besorgniserregend einzustufen, fehle es laut dem RKI noch an Belegen.
"Aktuell wurde B.1.617 in acht Proben aus Deutschland nachgewiesen, das ist ein verschwindender Anteil."
Was bekannt ist: B.1.617 hat im Vergleich zum Ursprungsvirus 15 Mutationen. Besonders relevant sind davon zwei, die das Spike-Protein betreffen, sagt Volkart Wildermuth.
Danach ist eine Mutation an einer Stelle, die auch bei der südafrikanischen und brasilianischen Variante verändert ist. Bei diesen Varianten hilft die Mutation, die Immunantwort zu umgehen. Einen ähnlichen Effekt hat die andere Mutation. Die Kombination dieser beiden Mutationen ist neu.
Was bei B.1.617 allerdings wohl fehlt, ist eine spezifische Mutation, die bislang alle besorgniserregenden Varianten hatten und die der Mutante zu einer schnellen Ausbreitung verhilft.
Geringe Datenlage über Mutante
Zudem ist auch weiterhin offen, wie resistent die Coronavirus-Impfstoffe gegen die Mutante ist. Dafür fehlen bislang die Studien. Allerdings sollte bei der Resistenz genau differenziert werden, sagt der Wissenschaftsjournalist.
Bei Laboruntersuchungen zeige sich zum Beispiel: Im Reagenzglas wirken die Antikörper von geimpften Menschen gegen die südafrikanische und brasilianische Variante weniger gut. In der Realität scheint das Immunsystem hingegen trotzdem mit den Varianten fertig zu werden. Das bedeutet: Eine Infektion mit den Varianten ist trotz Impfung möglich, aber die Wahrscheinlichkeit schwer an Covid-19 zu erkranken, ist gering.
"Wer geimpft wurde, ist vielleicht nicht sicher vor einer Infektion mit einer dieser Varianten, aber er oder sie wird wahrscheinlich nicht schwer krank – und das ist das Entscheidende. Das scheinen erste Erfahrungen aus Israel mit Biontech zu bestätigen."
Auch der Blick auf andere Varianten könnte bei der Einschätzung von B.1.617 helfen: Als die kalifornische Variante nachgewiesen wurde, galt sie anfangs als besorgniserregend. Heute ist sie Teil der Pandemie geworden und vergleichsweise unbedeutend.