Einige Menschen, die an Covid-19 erkranken, geben an, dass sie nichts mehr riechen und schmecken können. Dieses Symptom hält in der Regel nur für eine kurze Zeit an. Neurowissenschaftler Henning Beck erklärt, was hinter diesem Phänomen stecken könnte.

Ihr habt euch wahnsinnig auf den deftigen Eintopf, den Käseteller oder den Hering mit Zwiebeln gefreut. Und plötzlich stellt ihr fest, dass das Essen weder nach irgendetwas schmeckt, noch dass ihr es riechen könnt.

Das kann mal bei einer Erkältung passieren, aber auch manche Patienten mit einer Covid-19-Erkrankung klagen über diesen Sinnesverlust. Zum Glück geht dieses Symptom oft genauso plötzlich wieder weg, wie es gekommen ist.

"Das Riechen wird immer sofort emotional eingefärbt, deswegen gibt es keinen neutralen Geruch. Wir empfinden Gerüche immer als positiv oder negativ. Und es gibt eine eigene Gehirnabteilung nur für das Riechen: das Riechhirn. Das macht den Riechsinn ganz besonders."
Henning Beck, Neurowissenschaftler

Wieso manche von uns nichts riechen oder schmecken können, wenn sie an Covid-19 erkranken, wird noch erforscht und ist bisher noch nicht genau geklärt. Neurowissenschaftler Henning Beck vermutet, dass es etwas damit zu tun hat, wie das Virus in unserem Körper agiert.

Das Virus dockt an unseren Körperzellen an, beispielsweise in unserer Nasenschleimhaut, erklärt er – ähnlich, wie ein Schlüssel ein Schloss aufschließt. Die Viren nutzen Rezeptoren zum Andocken, die sich beispielsweise auch auf einigen wenigen Zellen in der Riechschleimhaut befinden, so Henning Beck.

Reizübertragung wird wohl von den Viren kurzzeitig unterbrochen

Diese wenigen Zellen der Riechschleimhaut, die die Viren nutzen, um daran anzudocken, werden dabei nicht vernichtet – zumindest sieht es derzeit so aus, sagt der Neurowissenschaftler. Das scheine anders zu sein als in der Lunge, wo die Viren auch Körperzellen zerstören. Es scheint eher so zu sein, sagt Henning Beck, dass das Milieu in der Nase die Viren stört.

"Es ist nicht so, dass die Nase kaputt geht wie das Lungengewebe. Es scheint eher eine vorübergehende Störung zu sein."
Henning Beck, Neurowissenschaftler

Sinneszellen in der Nase können sich regenerieren

Für das Coronavirus oder andere Erreger sei es gar nicht so einfach, dauerhaften Schaden an den Sinneszellen in der Nase anzurichten, sagt Henning Beck. Das liege daran, dass die sich regenerieren könnten. In der Nase gebe es Stammzellen, die die Sinneszellen versorgen, wenn etwas kaputt geht.

Infolge einer Erkältung könne die Schleimhaut wochenlang geschädigt werden. Im Gegensatz dazu scheint es bei einer Covid-19-Erkrankung so zu sein, dass diese Störung der Riechzellen schnell komme und aber auch schnell wieder gehe, sagt der Neurowissenschaftler, die Reizweiterleitung scheint also nur kurzfristig gestört zu sein.

Untersuchung der Nase nicht ungefährlich

Um das Phänomen zu erforschen, könnte man theoretisch die Nase von Covid-19-Patienten untersuchen. Für diese Eingriffe, bei denen Gewebe entnommen wird, finden sich aber nur wenige Freiwillige. Das liegt daran, dass das betroffene Gewebe sehr nah am Gehirn liegt. Wenn ein Mediziner bei einer Biopsie – also bei der Entnahme einer Gewebeprobe – nicht vorsichtig ist, besteht die Gefahr, dass er versehentlich ins Gehirn gelangt, erklärt der Neurowissenschaftler.

Shownotes
Neurowissenschaften zu neuartigem Coronavirus
Covid-19 und der Geruchssinn
vom 11. April 2020
Moderator: 
Thilo Jahn
Gesprächspartner: 
Henning Beck, Neurowissenschaftler