Du, Angela? Ja, Sebastian? Mit ihrem österreichischen Amtskollegen, der gerade zu Gast war in Berlin, ist unsere Bundeskanzlerin per Du. Aber was ist so ein Du in der Politik eigentlich wert, was signalisiert es, wofür steht es? Der Politikwissenschaftler Thomas Jäger sagt: Es gibt unterschiedliche Kategorien des Du.

Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz war diese Woche zu Besuch bei Angela Merkel in Berlin. Kurz bevor die beiden ein Statement abgeben sollten, raunte die deutsche Kanzlerin ihrem österreichischen Amtskollegen zu: Fang Du an!" Nicht nur mit Sebastian Kurz ist die Kanzlerin per Du. Wem sie es anbietet, wählt sie aber genau aus.

Intimität und Außenwirkung

Was ein Du in der Politik wert ist, hat entscheidend damit zu tun, wer es an wen richtet, sagt der Politikwissenschaftler Thomas Jäger. Merkel und Kurz zum Beispiel hätten damit signalisiert, dass sie gut miteinander können. Durch das Du strahle aber auch ein wenig von der Macht und dem Prestige der bzw. des anderen auf einen herab.

"Zum einen signalisiert das Du Intimität. Man versteht sich. Außerdem strahlt auch Macht und Prestige des bzw. der Geduzten auf einen zurück."
Thomas Jäger, Politikwissenschaftler

Mit den mächtigen Politikerinnen und Politikern wollen also die meisten per Du sein. Außerdem mit denen, von denen man weiß, dass sie bei den eigenen Anhängern gut ankommen, sagt Jäger. Beispiel: Sebastian Kurz und die CDU-Wähler.

Merkel: Kein Du für die engsten Mitarbeiter

Ursula von der Leyen, Peter Altmeier oder Thomas de Maizière würden von Angela Merkel geduzt. Auf der anderen Seite sei die Kanzlerin aber auch mit einer ganzen Reihe von Kabinettsmitgliedern nicht per Du, berichtet Jäger. Und auch nicht mit ihren engsten Mitarbeitern. Wahrscheinlich sei das bei Merkel eine Kombination aus Nähe und dem Gespür dafür, wann eine bestimmte Linie überschritten werde, glaubt der Politikwissenschaftler.

"Richtig verlassen auf eine Person – bloß weil man sie duzt – kann sich am Ende niemand."
Thomas Jäger, Politikwissenschaftler

Das Duzen allein sei allerdings kein Indikator für ein absolutes Vertrauensverhältnis. Das Verhältnis zwischen zwei Politikern werde nicht allein dadurch herzlicher, so Jäger.

Ein Du kann auch Distanz ausdrücken

Häufig ließen sich Dinge per Du zwar einfacher besprechen. Doch die persönliche Umgangsform berge immer auch Gefahren: Manchmal kann das Du die Distanz noch verstärken. Beispiel: Im Oktober 2011 fiel der berühmte Satz von Ronald Pofalla (CDU), gerichtet an Wolfgang Bosbach (CDU): "Ich kann Deine Fresse nicht mehr sehen." Mit Sie hätte sich diese überdeutliche Ablehnung schwieriger ausdrücken lassen, so Jäger.

Shownotes
Umgangsformen
Das Du in der Politik
vom 08. Februar 2020
Moderation: 
Thilo Jahn
Gesprächspartner: 
Thomas Jäger, Lehrstuhl für Internationale Politik und Außenpolitik der Universität Köln