Hat Tiktok Daten von US-Nutzer*innen an China weitergegeben? Heute kommt es im US-Kongress zur Anhörung: Tiktok-Chef Shou Zi Chew muss vor den Abgeordneten unbequeme Fragen zum Geschäftsmodell und zur Datensicherheit der beliebten App beantworten.

Der Druck auf Tiktok in den USA ist seit Monaten massiv. Nicht wenige US-Politiker sehen in dem Unternehmen so etwas wie das trojanische Pferd der chinesischen Führung. Die Regierung droht mit einem Verbot der App.

"Tiktok habe niemals Daten von US-Nutzer*innen an die chinesische Regierung weitergegeben oder eine entsprechende Anfrage erhalten, schreibt Shou Zi Chew."
Andreas Noll, Deutschlandfunk-Nova-Netzreporter

Schon vor seinem Auftritt im US-Kongress hat sich der Tiktok-Chef um Schadensbegrenzung bemüht: Tiktok habe niemals Daten von US-Nutzer*innen an die chinesische Regierung weitergegeben oder eine entsprechende Anfrage erhalten, schreibt Shou Zi Chew in einem Statement. Auch würde TikTok einer solchen Anfrage nicht nachkommen, sollte sie jemals gestellt werden.

Wie groß ist der Einfluss Pekings?

Als Beleg führt der CEO die Eigentümerstruktur von Tiktok an. Demnach sei der Tiktok-Betreiber ByteDance zu 60 Prozent in Besitz globaler Investoren wie Blackrock, General Atlantic und Sequoia. Etwa 20 Prozent seien in Besitz der Gründer des Unternehmens und die restlichen 20 Prozent im Besitz von Mitarbeitenden, "darunter Tausende von Amerikanern".

Die Kritik vor dem US-Kongress werden diese Argumente aber kaum beeinflussen, glaubt unser Netzreporter Andreas Noll. Denn die Argumente seien nicht neu. Es werde auch immer wieder darauf verwiesen, das ByteDance seinen rechtlichen Sitz auf den Cayman Islands hat, obgleich die Führung in Peking sitzt. Tiktok selbst wird wiederum aus Singapur gesteuert.

"Wie groß am Ende der Einfluss Pekings auf die Firma ist, kann man nur sehr schwer von außen beurteilen – und dazu enthält der Brief keine neuen Informationen."
Andreas Noll, Deutschlandfunk-Nova-Netzreporter

In den USA sind viele Abgeordnete davon überzeugt, dass ByteDance im Zweifel eben doch User-Daten an die chinesische Regierung weitergibt und dass es dagegen keinen Schutz gibt. Sie verweisen darauf, dass die chinesischen Gründer dank höher gewichteter Stimmrechte weiterhin die Kontrolle über die Firma hätten – und eben nicht die westlichen Investoren.

Außerdem sind ja bereits durchaus problematische Fälle bekannt geworden: Ende 2022 hatte ByteDance öffentlich gemacht, dass sich Mitarbeitende unerlaubt Zugriff auf Daten von US-User*innen verschafft hatten – darunter auch auf die von Journalist*innen.

Der US-Markt ist wichtig für Tiktok

Zehn Prozent der weltweiten Tiktok-User*innen kommen aus den USA – mehr als 150 Millionen Menschen öffnen dort (laut ByteDance) mindestens einmal pro Monat die App. Natürlich ist das auch eine bedrohliche Konkurrenz für die dominierenden Social-Media-Plattformen wie Insta, Facebook oder auch Twitter, die ja ihren Sitz in den USA haben.

"Natürlich ist Tiktok auch eine bedrohliche Konkurrenz für die dominierenden Social-Media-Plattformen wie Insta, Facebook und Twitter."
Andreas Noll, Deutschlandfunk-Nova-Netzreporter

Auf Regierungshandys ist Tiktok in den USA (und mittlerweile auch in Deutschland und anderen westlichen Staaten) bereits verboten. Im Raum steht nach wie vor das vollständige Verbot der App, sollte sich zumindest die US-Version der Videoplattform nicht von der chinesischen Mutter ByteDance abspalten.

Hinter den Kulissen laufen wohl derzeit Gespräche, wie Bytedance mehr Datensicherheit garantieren kann. Eine Abspaltung des US-Geschäfts wird wohl zumindest erwogen.

"Project Texas" für mehr Vertrauen

Ein Versuch von ByteDance, mehr Vertrauen in den USA zu erhalten, ist auch das so genannte "Project Texas". Demnach kann der US-Konzern Oracle Datenströme und den Quellcode von TikTok überwachen. Außerdem steht das Tiktok-Rechenzentrum für die USA auch in den USA.

Tiktok wird aber nicht nur wegen seiner mutmaßlich zu großen Nähe zur chinesischen Staatsführung kritisiert. Auch die Themen Fake News und Hate Speech, die soziale Verantwortung des Unternehmens und das Körperideal, das dort vermittelt wird, stehen auf der Liste – übrigens nicht nur bei Tiktok, sondern auch bei anderen Social Networks.

Vor der Anhörung seines CEO im US-Kongress hat Tiktok versucht, gegenzusteuern und die Kritik zu entkräften:

  • Thema Soziale Verantwortung: In einem Monat sollen neue Community-Regeln in Kraft treten. Sie sehen überarbeitete Regeln für den persönlichen Feed vor, aber auch bestimmte Schutzmaßnahmen, um Challenges, bei denen gesundheitliche Gefahren drohen, zu verhindern. Diese Challenges sind immer wieder ein Problem auf TikTok.
  • Thema Fake News: Zumindest zu bestimmten Themen sollen diese von der Plattform gelöscht werden.

Ob das alles die US-Politik beeindruckt, ist völlig offen, sagt Andreas Noll. Am Ende spiele bei dem ganzen Thema auch einfach die Geopolitik, also die Rivalität zwischen den USA und China, eine große Rolle. Ein Tiktok-Verbot ist also durchaus noch im Bereich des Möglichen, glaubt er.

Shownotes
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Showdown: Tiktok-Anhörung im US-Kongress
vom 23. März 2023
Moderation: 
Till Haase
Gesprächspartner: 
Andreas Noll, Deutschlandfunk Nova