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Kanzlerin und Landesregierungen allein dürften Grundrechte nicht einschränken. Das dürfe nur das Parlament, empören sich die einen. Warum die Gesetzgebung zum Infektionsschutz kein Alleingang der Exekutive ist, erklärt die Politologin Julia Reuschenbach.

Sperrstunde, Beherbergungsverbote und Co: Christian Lindner (FDP) findet, die Bundeskanzlerin habe mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten Grundrechtseingriffe beschlossen – als Reaktion auf die zweite Welle der Covid-Infektionen in Deutschland. Er erwarte allerdings, dass über Grundrechtseingriffe vom Bundestag und den Länderparlamenten entschieden werde.

Sein Vorwurf lautet also: In der Pandemie werde am Parlament vorbei regiert. Die Politikwissenschaftlerin Julia Reuschenbach möchte dem nur eingeschränkt zustimmen. Grundsätzlich habe der Bundestag mit dem Infektionsschutzgesetz eine Reihe von Befugnissen aus der Hand gegeben.

"Im Grunde hat sich der Bundestag durch die parlamentarischen Vorgehensweisen der letzten Monate selbst ein Stück weit in eine Beobachterrolle manövriert."
Julia Reuschenbach, Politikwissenschaftlerin, Universität Bonn

Sie erinnert daran, dass der Bundestag über viele wichtige Gesetzesvorhaben im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie, wirtschaftliche Hilfspakete beispielsweise, beraten und diesen auch zugestimmt hat.

"Dass Grundrechtseingriffe wirklich nur durch das Parlament stattfinden können, das muss man ernst nehmen."
Julia Reuschenbach, Politikwissenschaftlerin, Universität Bonn

Bezogen auf die Grundrechte sei auch aufgrund von Christian Lindners Äußerung damit zu rechnen, dass der Bundestag seine Kontrollrechte gegenüber der Bundesregierung auch während der Pandemie stärker einfordere. Eine Präzisierung der Gesetze zum Infektionsschutz auf Initiative des Parlaments hin, hält Julia Reuschenbach in Zukunft für vorstellbar.

Beteiligung des Parlaments

Die Politologin erinnert daran, dass die gesamte Gesetzgebung zum Pandemieschutz ohnehin unter Parlamentsvorbehalt steht. Sie ist außerdem zeitlich befristet.

"Der Bundestag, also die Legislative, muss beschließen, dass wir überhaupt landesweit das Vorliegen einer solchen epidemischen Lage haben."
Julia Reuschenbach, Politikwissenschaftlerin, Universität Bonn

Für Julia Reuschenbach zeigt sich nun während der Covid-19-Pandemie das Zusammenwirken der drei Gewalten Exekutive, Legislative und Judikative, ihre unabhängige Arbeit angesichts einer absolut unbekannten Situation. Das sei, findet sie: "Fast ein bisschen eine Sternstunde der Demokratie."

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an Info@deutschlandfunknova.de

Shownotes
Macht und Pandemie
Politologin: "Fast eine Sternstunde der Demokratie"
vom 16. Oktober 2020
Moderator: 
Ralph Günther
Gesprächspartnerin: 
Julia Reuschenbach, Politikwissenschaftlerin, Universität Bonn